Blog Post

blogger

Your own. Personal. Stasi.

Thilo Schneider • Juli 25, 2019

..."Gegnerüberwachung" in Zeiten von Facebook

Der Staatssicherheitsdienst der DDR hatte es nicht leicht: Um einen Dissidenten mundtot zu machen, musste er Dossiers anlegen, Spitzel anwerben (möglichst so, dass diese einigermaßen begeistert und motiviert sind), Führungsoffiziere ausbilden, Wanzen installieren, Telefongespräche abhören, Geruchsproben nehmen, Fahndungshunde ausbilden... Es dauerte schon so ein bisschen, bis man einen deutschen demokratischen Unbürger „zu einem Gespräch zwecks Klärung offener Fragen“ einladen und gegebenenfalls vor oder hinter Gefängnismauern mundtot machen konnte. Nicht auszudenken, wenn es 1989 schon das Internet gegeben hätte. Die armen Mitleser – dauernd Penisvergrößerungsangebote zwecks geheimer Botschaften scannen und archivieren, das wäre ein Knochenjob geworden. Im Rückblick mutet der Aufwand des „Schwerts und Schilds“ der Partei geradezu grotesk an. Was für ein Bohey, um jemanden dingfest zu machen, der Honecker im kleinen Kreis als einen Idioten bezeichnet hat.

Heute, in Zeiten von Netzwerkdurchsetzungsgesetz , Facebook und einem Meldebutton geht das viel schneller und einfacher. Heute darf sich jeder als kleiner Spitzel betätigen, dessen Intelligenzquotient ausreichend ist, auf Facebook den Button für „diesen Beitrag melden“ zu finden. Facebook, sowieso schon panisch wegen entsprechender Fragen, reagiert erst einmal damit, den entsprechenden Beitrag unsichtbar zu machen und den Schreiber drei Tage zu sperren. Mindestens. Dabei kommt es auf den Inhalt des Beitrags gar nicht an, generell schaltet der Facebook-Algorithmus den gemeldeten Beitrag und entsprechenden Verfasser erst einmal ab. Nur für den Fall, dass an der Meldung etwas tatsächlich NetzDG-Relevantes vorliegen könnte. Die Meldemuschi bekommt zur Belohnung für die gute Untat einen herzlichen Dank, weil sie so aufmerksam und aufgeregt mitgelesen hat. Der Beitragsautor hingegen darf sich an einem kleinen Fensterchen erfreuen, das beim nächsten Seitenwechsel aufploppt und ihn höflich auf sein schmutziges Fehlverhalten hinweist. Weswegen er jetzt erst einmal drei Tage Sendepause hat. Dann aber tröstet Facebook, dass der Abgewatschte gerne den Beitrag an irgendjemanden bei Facebook zur Überprüfung zurücksenden kann, der noch einmal drüberschaut – und hoffentlich des Deutschen mächtig ist. Wer auf der Gegnerseite am Melden-Drücker saß, erfährt der potentielle Sünder selbstverständlich nicht. Ließe sich doch ansonsten so eine Systematik erkennen, wer hier wo gegen wen gezielt Stimmung macht und ihn zum Schweigen bringen will.

Mit ziemlich viel Glück und wenn der Wächterrat einen Sinn für Humor, Sarkasmus und Ironie hat, wird die Sperre aufgehoben und der Beitrag wieder wie von Zauberhand sichtbar. Außer, es waren Frauennippel oder andere sekundäre Geschlechtsmerkmale auf irgendeinem Bildchen zu erkennen. Was so mancher Vulvenfotograf schmerzlich erfahren musste. Unerheblich dabei ist übrigens, wie alt der Beitrag tatsächlich ist, selbst sechs bis sieben Jahre alte Beiträge können heute „Hate speech“ sein und so kann ein Nutzer durchaus gesperrt werden, wenn er Helmut Schmidt oder Angela Merkel, als sie noch in der Union war, zitiert. Helmut Schmidt jedenfalls würde heute achtkantig von Mark Zuckerbergs seltsam disozialer Plattform fliegen – im Gegensatz beispielsweise zu Hardcore-Islamisten, Nazis, die wegen Rechtsextremismus selbst aus der SS geschmissen worden wären und Antisemiten, vor denen sich Julius Streicher geekelt hätte.

Die Rücknahme einer Meldung ist natürlich für die Meldemuschi sehr ärgerlich. Erst recht, wenn das Opfer grinsend seinen anonymen Anschwärzer mit den Worten „Wahr wohl nix“ auf seiner Wall grüßt. Da gibt man sich Mühe und verpfeift jemanden anonym – einfach, weil man den doof findet (oder das, was er schreibt) und dann kann man sich nicht einmal als „Stauffenberg für Arme“ fühlen, weil der große Wächterrat versagt hat. Strategisch gibt es jetzt drei Möglichkeiten:


1)Man trägt die Niederlage wie ein Mann. Oder eine Frau. Oder ein Diverser.

2)Man meldet jeden verdammten Beitrag. Irgendetwas wird sich schon finden lassen. Und sei es nur, dass Facebook oder der Kontrahent entnervt aufgeben, wenn das zwanzigste Fenster aufklappt.

3)Der zivile oder strafrechtliche laute Wehklageweg

Einschub: Warum sich Menschen an anderen Menschen, deren Meinung ihnen nicht passen, so derart festbeißen, dass sie bis ins Realleben übergreifen, wäre mit Sicherheit ein ganz interessantes psychologisches Studienfeld. Die anonymen schwarzen Reiter betreiben ihr Geschäft mit einer Akribie und Niedertracht, die vor 31 Jahren zum „ Helden der DDR “ gereicht hätte. Da werden Zweit-, Dritt- und Viertprofile angelegt, „gute Freunde“ fungieren als Zuträger aus geschlossenen Gruppen heraus, da werden Screenshots gemacht und hin- und her versendet, wo man sich doch als hoffentlich geistig gesunder Mensch fragt: Was machen die Typen beruflich? Sind das Rentner, sind das Studenten oder Hausfrauen, die mit ihrer doch so kurzen Lebenszeit nichts Besseres anzufangen wissen? Denen man am Liebsten zurufen würde: Go out and get a life? Aber das Leben der Anderen scheint da irgendwie viel interessanter zu sein. Vielleicht ist es auch die Sehnsucht, den Enkeln auf die Frage „Wie hast Du die Nazis und Klimaleugner damals verhindert?“ mit Schmackes „ich habe sie bei Facebook verpfiffen und strafbewehrte Unterlassungserklärungen verschicken lassen, dass die Schwarte gekracht hat“ antworten zu können. Ich weiß es nicht, ich bin kein Psychologe und auch nicht für die Befindlichkeiten anderer zuständig. Gelegentlich bedaure ich nur, dass die gute alte Sitte des öffentlichen Prangers abgeschafft wurde.

Denn da sind wir bei Möglichkeit 3): Wenn der von Dir entdeckte Klassenrassenmenschenfeind Dich einen Deppen genannt hat – nicht einmal persönlich, sondern irgendwo und Dein „Geheimdienst“ und Dein Netzwerk funktionieren - dann gehört sein Hintern Dir. Jetzt wirst Du zum Verklagekasper. Jetzt gibt es erst einmal die allseits beliebte strafbewehrte Unterlassungsklage und die funktioniert sogar risikolos. Denn selbst wenn es zu einem Prozess kommt, weil das Gegenüber doch gerne auch hätte, dass mal ein Richter über den „Deppen“ schaut, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Gegenüber verliert – dann trägt es sowieso die Kosten – oder es gewinnt. Dann zahlt Dir Deinen Teil die Prozesskostenhilfe, wenn Du selbst nichts auf der Naht hast. Die PKH ist eine sehr angenehme Einrichtung, sogar so angenehm, dass sie sich als Geschäftsmodell eignet, denn sie ermöglicht es selbst dem größten Zivilversager, mit Hilfe von Anwälten und Gerichten seine Umgebung zum Nulltarif zu enervieren und ihr einen Maulkorb zu verpassen. Selbst dazu muss der Widerstandskämpfer für eine ihm gerechter werdende Welt nicht einmal vor die Türe – eine Email an einen Anwalt nebst Screenshots genügt. Die Kanzleien sind - im Gegensatz zu den Gerichten – sowieso leer und schon rennt die Lola. Ein, wie ich meine, toller Service des Staates und eine hübsche Freizeitbeschäftigung für alle hehren Hobbyhelden und solche, die es gerne 1933 – 1945 gewesen wären, ganz ohne den Hintern vom PC zu bewegen. Ruhm und Ehre sind nur einen Mausklick entfernt.

Und falls sich die Leser je gefragt haben, warum die Stasi und auch die Gestapo doch so viele freiwilligen Helfer und Mitläufer hatten – eben weil es so einfach war, einer zu werden. Und exakt das ist heute einfacher denn je. So einfach, dass heute jeder seine eigene Stasi sein kann.

von Thilo Schneider 12 Jan., 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15 Juli, 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25 Juni, 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
Polizeikontrolle, mit Spielzeugautos nachgestellt
von Thilo Schneider 30 Mai, 2023
Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
Fallschirmjäger beim Sammeln
10 Dez., 2022
Wenn man morgens um 8 ohne Knoppers einen Staatsstreich vereitelt
Weitere Beiträge
Share by: