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Kafka auf Facebook

Thilo Schneider • Nov. 13, 2019

Wer wacht über die Wächter?


Ich habe mich in der Schule bei Kafkas „Prozess“ fürchterlich gelangweilt. Die Geschichte war so surreal und irrational und Kafka war tot, aber Sandra mit ihren beiden hübschen Brüsten vor mir dafür quicklebendig und so quälte ich mich durch eine völlig obskure Geschichte, die ich einfach für bestenfalls seltsam hielt. Sandra war mir da sehr viel lebensnaher.

Mittlerweile ist Sandra selbst Anfang 50 und ich finde Kafka weit weniger surreal als vor 35 Jahren. Im Gegenteil stecke ich mittendrin. Und nicht nur ich. 

Der größte deutsche Social-Media Anbieter, Facebook, sperrt seit ungefähr acht Wochen augenscheinlich willkürlich und nicht nachvollziehbar Nutzer aus den liberal-konservativen Kreisen, es handelt sich mittlerweile um mehrere Dutzend Personen mit wenigstens 2.000 „Freunden“ auf der Facebook-Uhr. Die Sperren laufen von drei Tagen bis zu einem Monat, wenn überhaupt Begründungen angegeben werden, so beziehen sich diese auf bis zu fünf Jahre alte Beiträge. Interessanterweise sind auch sehr viele Achse-Autoren wie Cora Stephan oder Stefan Klinkigt betroffen. 
Und wie bei Kafka gibt es keine Beschwerdestelle. Der Nutzer erhält bestenfalls eine lapidare Meldung, dass sein Kommentar von vor vier Jahren nicht den „Gemeinschaftsstandards“ entspricht, weil in seinem Beitrag das Wort „Neger“ auftaucht. Die Sperralgorithmen sind derart „scharf“ eingestellt, dass ein einfaches und klassisches Palindrom wie „Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie“ tatsächlich als „Hassrede“ gilt und selbst nach Reklamation (einmal darf jeder zaghaft über ein Formular nachfragen) besteht Facebook darauf, dass ein derartiger Satz „Hassrede“ ist.

Ebenfalls Sperren in unterschiedlicher Dauer werden für ein Napoleon zugeschriebenes, tatsächlich aber von dem Dichter Görres verfasstes Zitat verhängt, in dem es heißt: „Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. Zwiespalt brauchte ich unter ihnen nie zu säen. Ich brauchte nur meine Netze auszuspannen, dann liefen sie wie ein scheues Wild hinein. Untereinander haben sie sich gewürgt, und sie meinten, ihre Pflicht zu tun. Törichter ist kein anderes Volk auf Erden. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden: Die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgten sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wahren Feinde." Auch das ist „Hassrede“, die nicht den freundlichen Standards von Facebook entspricht.

In diesen Standards heißt es: "Das Ziel unserer Gemeinschaftsstandards ist es, die freie Meinungsäußerung zu unterstützen und ein sicheres Umfeld zu schaffen. // Sicherheit: Die Menschen müssen sich sicher fühlen, um Gemeinschaften zu bilden. Wir verpflichten uns, Inhalte zu entfernen, die Schäden in der realen Welt verursachen können. Dazu gehören sowohl körperliche und seelische Verletzungen als auch zum Beispiel finanzielle Schäden. // Ausdrucksmöglichkeiten: Auf Facebook geht es in erster Linie um Vielfalt – Vielfalt der Meinungen und der Sichtweisen. Im Zweifelsfall lassen wir Inhalte zu, selbst wenn manche sie für unangemessen halten. Sie werden jedoch entfernt, wenn dadurch ein konkreter Schaden verhindert werden kann. // Gleichheit: Unsere Gemeinschaft ist global und vielfältig. Wenn unsere Richtlinien weit gefasst erscheinen, dann liegt das daran, dass wir sie einheitlich und fair auf eine Gemeinschaft anwenden, die sich über die verschiedensten Religionen, Kulturen und Sprachen erstreckt."

Welchen Schaden nun aber ein „nie während des Klimawechsels zagender Schwarzafrikaner nebst landestypischem Huftier“ nehmen könnte oder verursacht, bleibt das Geheimnis von Facebook. Übrigens im Gegensatz zu Sätzen wie „die Füchtlingsüberflutung ist ein Teil des Planes von Soros und der Ostküstenjuden zur Vernichtung des deutschen Volkes“. Derartig regelrecht paranoider Schwachsinn, die auf einen pathologischen Postenden schließen lassen, bleibt unbeanstandet stehen. Solche ungesunden Äußerungen sind wahrscheinlich für den Facebook-Algorithmus ein Ausdruck von Meinungsvielfalt. Wie meinungseinfältig kann ein Algorithmus sein?

Man weiß es nicht. Es gibt für den Otto Normalnutzer keinen Service, keinen Bereich, keine Beschwerdestelle, an die er sich wenden könnte. Er erhält bestenfalls eine kurze Mitteilung, wegen welchem Kommentar er in die Verbannung geschickt wurde. Diesen darf er dann ein einziges Mal „zur Überprüfung“ zurücksenden, bleibt allerdings Facebook auf der Meinung seines Erstprüfers bestehen, dann führt die Beschwerde des Beschwerdeknilchs auch gerne zu einer Sanktionsverschärfung. Wer mault, schweigt länger. 
Nun wäre das vom Grunde her kein Problem, gäbe es Ausweichmöglichkeiten. In den alten Internetforen wurde schon willkürlich und wahllos gesperrt, seit der erste Weihnachtswunsch versendet wurde. For no particular reason, just because. Nur kannte man da in der Regel seinen Bestrafer und konnte schulterzuckend vom Brigitte-Forum ´rüber ins Freundin-Forum wechseln und sich dann da über die neue Frühjahrsdiät beschweren. Zu Facebook gibt es aber keine Konkurrenz, im Gegenteil kommt eine Sperre dort schon fast einer Art Berufsverbot gleich, wenn man beispielsweise Autor wie Akif Pirincci ist (mit dem ich im Übrigen bei so ziemlich nichts einer Meinung bin, nicht einmal bei den Kunststudentinnen) oder Facebook auch als Arbeits- und Werbeplattform nutzt. 

Die Kriterien für Sperren scheinen bestenfalls willkürlich, im schlimmsten Fall werden sie gezielt genutzt, um nicht FB- „meinungskonforme“ Nutzer zu behindern, zu blockieren oder mundtot zu machen. Letzteres ist natürlich lediglich eine Unterstellung, ein Verdacht – aber, wie gesagt, der „Angeklagte“ kann sich nicht oder nur unter Zuhilfenahme juristischer Mittel und den damit verbundenen Kosten – vielleicht – wehren. Und seine Ankläger und Richter bleiben ihm verborgen. So bleibt die derzeitige Sperrpraxis nebulös und riecht nach Methode und es bleibt nur der Galgenhumor und die wunderschöne Beleidigung: „Du bist so unwichtig, dass Dich nicht einmal Facebook sperrt“. 

Wie sehr wünsche ich mir da manchmal Sandra zurück. Ich könnte sie auf Facebook finden. Wenn sie nicht gerade irgendeinen Satz gepostet hat, in dem das Wort „Neger“ vorkam. Selbst, wenn sie es ironisch meinte, um einen der umhertorkelnden Heinrich-Himmler-Fans stramm zu ziehen. Dann wird sie mir nicht antworten können – so ungern sie das vielleicht möchte.      

von Thilo Schneider 12 Jan., 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
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Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
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Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
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Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
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