„
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth in das jüdische Land, zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlecht Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“ -
Evangelium nach Lukas
Unter einem meiner Postings fand sich der Satz, ob ich „nicht einmal an Weihnachten mit dem Politkram aufhören könne“. Ja, würde ich ja gerne, aber ich habe doch nicht damit angefangen! Ich war auf zwei Weihnachtsveranstaltungen und ein Mal fragte die Moderatorin, ein anders Mal der Pfarrer listig, ob uns Zuhörer „das mit der Herberge“ nicht an die derzeitige Flüchtlingsdiskussion „erinnere“ und nur der Rücksicht auf meine Partnerin ist es zu verdanken (ich kann, wenn ich will), dass ich nicht aufgestanden und laut „Nein“ in den Saal gerufen habe. Also, wie gesagt, nicht ich habe damit angefangen, das Weihnachtsfest zu politischen Aussagen zu missbrauchen. Aber beide Male dachte ich über den Herbergsvater von Betlehem nach. Es scheint mir, er kommt in der ganzen Geschichte nicht sonderlich gut weg – und das finde ich nicht fair. Daher mein Vorschlag zum Krippenspiel 2019:
Es ist Nacht. Für nahöstliche Verhältnisse ist es mit 6 Grad bitter kalt. Maria und Josef klopfen an der Herberge „Zum fröhlichen David“ an. Der Hotelier öffnet die Türe und sieht sich einem alten Mann, einer Schwangeren und einem Esel gegenüber. „Guter Mann“, hebt Josef an, „habt Ihr noch Platz in Eurer Herberge? Mein Weib ist schwanger und wir wissen nicht, wohin!“ Der Gastwirt schaut sich die beiden an: „Seid Ihr Juden?“ Josef ist verdutzt. „Natürlich sind wir Juden!“, sagt er erstaunt. „Wir sind hier wegen der blöden Volkszählung“, piepst Maria von hinten. Der Herbergsvater kratzt sich am Kopf. „Tja, Leute... Was soll ich sagen? Wäre gut, Ihr hättet vorher mal einen Boten oder ein Papyrus geschickt, ich bin hier rappeldicht mit Leuten...Außerdem seid Ihr heute schon das sechste Pärchen, das ich abweisen muss.“ „Ah“, sagt Josef, „voll wegen der Volkszählung, nicht wahr?“ „Nein, eben nicht!“, der Gastwirt schüttelt den Kopf, „ich habe hier jede Menge Leute aus Nabatäa und Arabia.“ Josef und Maria sind erstaunt. „Wieso aus Nabatäa und Arabia?“, wollen sie wissen. „Ach, die haben da derzeit eine Hyperinflation und die Regierungen sind korrupt und jetzt sind sie eben da.“, erklärt der Gastwirt. „Ja, aber wir sind Juden, Ihr seid ein Jude, sollten wir nicht zusammenhalten? Mein Weib steht vor der Niederkunft!“, gibt Josef zu bedenken.
Der Hotelier zuckt die Schultern: „Soll ich meine Menschlichkeit aufgeben, nur, weil wir die gleiche Religion teilen? Sehe ich für Euch wie ein Religionsrassist aus? Derartiges Denken ist total überholt. Immerhin schreiben wir das Jahr 0.“ „Ich kann bezahlen! 10 Schekel hab ich. Und den Esel!“, versucht es Josef von der finanziellen Seite. „Lieb gemeint, aber ich kriege pro fremden Gast hier 20 Schekel von den Römern.“ Josef stutzt: “Warum sollten die Römer so etwas derart Dummes mit meinen Steuergeldern machen?” “Weil sie uns hassen und sich erhoffen, dass, wenn sie uns schön durcheinander würfeln, wir nicht auf die Idee kommen, zu revoltieren. So einfach. Divide et impera!”, gibt der Gastwirt gut gelaunt zurück. „Ja, von meinen Steuergeldern! Da muss sich doch was machen lassen!“, bleibt Josef am Ball. Der Gastwirt zuckt die Schultern: „Selbst, wenn ich könnte, wie ich wollte – wir sind komplett dicht!“
Josef senkt den Kopf: „Guter Mann, habt doch Erbarmen, vielleicht können wir etwas zusammenrutschen, dann geht das schon...“ „Wir sind hier schon zusammengerutscht. Die liegen hier wie die Heringe auf dem Boden! Einer der Arabier hat einen Teil der Herberge angezündet, als der Dattelpudding alle war und dann gab es einen Tumult und ich konnte den Typen ja nicht auf die Straße setzen, zumal die Arabier und Nabatäer durch die Bank junge Männer sind. Die fackeln mir sonst auch den Rest der Bude ab und was sie dann mit den Betlehemer Wohnhäusern machen, will ich gar nicht erst wissen!“, erklärt der Herbergsvater. „Ja, aber meine Frau...“, probiert es Josef erneut. „...ist schwanger“, vollendet sein Gegenüber, „...und da sind wir am nächsten Punkt. Das sind alles junge Männer, ausgehungert und aus einem anderen Kulturkreis...“ „Meine Frau trägt Jehovas Sohn, den Messias, unter dem Herzen“, unterbricht ihn Josef und zieht seinen letzten Trumpf! „Oh, na, wenn das so ist...“, grinst der Hotelier, „na gut, wenn Du es für eine gute Idee hältst, Deine Frau unter einer Herde Jungs entbinden zu lassen, die ewig keine Frau gesehen haben...“
Josef schüttelt traurig den Kopf. „Nein, ich glaube auch nicht, dass das eine gute Idee wäre... Aber ist unter Deinen Gästen vielleicht ein Medicus oder Barbier?“ Der Gastwirt lacht: „Hörst Du mir eigentlich zu? Auch, wenn die Römer gerne anderes behaupten: Da, wo die Jungs herkommen, gibt es nichts außer Schafen und Ziegen und Petra Oleum. Nicht einmal die Römer wollen die Gegend haben! Was meinst Du, warum die hier sind? Doch nicht, weil sie sich „Hochkultur“ nennen...“
Maria fängt zu weinen an: „Das kann doch nicht war sein. Da zwingt uns die Regierung, von Nazareth nach Betlehem zu reisen – und das in meinem Zustand – und dann sind die Herbergen mit jungen Männern besetzt, für die die Römer auch noch bezahlen... Das ist ungerecht!“ Der Gastwirt überlegt: „Hmm... Um die Ecke, zweihundert Meter die Römerstraße runter, habe ich eine Scheune. Das ist zwar nicht so komfortabel, aber im Vergleich zu der Herberge... Das Stroh ist frisch und warm ist es durch die Tiere auch und Ihr könntet den Esel auch noch mit rein nehmen. Und das Tier da auch“, er deutet auf den Esel, „nein, kleiner Scherz. Ihr müsstet nicht einmal etwas bezahlen, wegen des Geruchs, aber bevor Ihr im Freien entbindet... Es ist besser als nichts und Ihr seid ungestört. Ich sage ein paar Hirten Bescheid, die sollen Decken bringen“, bietet er an. Josef schaut zu Maria, Maria schaut zu Josef, sie nicken sich zu und lächeln. Glück gehabt.
Und so kam es, dass - siehe oben. So wäre meiner Ansicht nach die Analogie korrekt. Und der Herbergsbesitzer nach 2018 Jahren endlich entlastet.