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Der Austritt
Thilo Schneider • 19. Oktober 2020
Liberal - nicht liberalala

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sternstunden dieser Zeit waren der Wiedereinzug in den Bundestag 2017 und der Abbruch der Sondierungsgespräche mit schwarz-grün. Es schien mir, als hätte die FDP endlich ihre Rolle als bürgerliche Oppositionspartei begriffen. Mit Rot oder Grün macht man im Bund keine Geschäfte. Das sind keine bürgerlichen Parteien (mehr), sondern „fifty shades of red-green“ der Gängelei der Bürger. Der kann sich auf dieser Seite des politischen Spektrums nur aussuchen, von wem und wo und wie und warum er geschurigelt werden möchte.
Am 5.2.2020 wurde Thomas Kemmerich in einer freien und geheimen Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt. Mutmaßlich(!) mit den Stimmen von AfD UND CDU. Vielleicht hat auch ein AfDler Ramelow und ein Grüner Kemmerich gewählt, man weiß es nicht und das ist auch gut so.
Am 6.2.2020 gratulierte Volker Wissing (mittlerweile „unser“ Generalsekretär) Thomas Kemmerich und das war auch gut und richtig so. Es gab und gibt bis heute keinen Grund, warum Thomas Kemmerich seine Wahl hätte ablehnen sollen. Es gibt in einer Demokratie nur Mehrheiten – keine „schönen“ oder „hässlichen“ Mehrheiten. Davon steht auch aus gutem Grund nichts im Grundgesetz.
Selbstverständlich war auch der Rücktritt Kemmerichs korrekt – aber die Begründung war es nicht. Eine Partei, die mit gerade mal 10 Stimmen in einen Landtag einzieht, hat keine moralische(!) Berechtigung, den MP zu stellen. Einen Rücktritt damit zu begründen, dass ihn „die Falschen“ gewählt haben und dies der Bundeskanzlerin nicht so gut gefällt, ist einfach nur Bullshit und ein Schlag ins Gesicht der Wähler, die einen MP Ramelow verhindern wollten, in dem sie AfD, FDP und CDU wählten. Garniert wurde die ganze Affäre mit einem peinlichen „Nachtritt“ von Christian Lindner, der sich gar nicht so schnell freuen konnte, wie er sich entschuldigen wollte.
Dann wurde Linda Teuteberg geräuschvoll entsorgt und durch Volker Wissing er- und entsetzt.
Und der ging sofort, wie es sich für einen Generalsekretär gehört, „auf Angriff“…
Am 19.09. mein Volker Wissing gegenüber dem „Focus“, „der Staat kann vieles besser als der Markt“.
Via Twitter kritisiert er am 29.09.2020 das parlamentarisch völlig korrekte Vorgehen von Julia Klöckner (CDU) „alle Fraktionsspitzen“ zum Thema „Tierwohl“ einzuladen und nannte diese Einladung eine „Lockerungsübung der CDU für eine Zusammenarbeit mit der AfD“.
Am 6.Oktober 2020 zitiert Herr Wissing die „taz“ und meint, es sei dringend geboten, die Polizei auf „strukturellen Rassismus“ untersuchen zu müssen.
Ich gehe nicht davon aus, dass Volker Wissing während dieser Zeit an einer Erkrankung litt.
Am 8. Oktober bemerkt Thomas Kemmerich via Twitter sachlich vollkommen korrekt: „Nicht die Annahme der Wahl war ein Fehler, sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation.“ Wir erinnern uns an den Volker Wissing vom 06.02.2020, der, Zitat, meinte: „Ich finde es sehr honorig, dass sich Herr Kemmerich in dieser schwierigen Situation in die Verantwortung hat nehmen lassen“.
Der gleiche Volker Wissing schreibt nun, am 9. Oktober 2020, via Twitter an die Adresse von Thomas Kemmerich: „Eine Zusammenarbeit mit der AfD, die gesellschaftspolitisch auf Ausgrenzung setzt und sich nicht klar von rechtsextremen Elementen distanziert, kann es nicht geben.“ Am gleichen Tag distanziert sich der komplette Vorstand der FDP von ihrem kurzzeitigen und ehemaligen Ministerpräsidenten – statt ihm den Rücken zu stärken. Völlig übersehen wird dabei die Tatsache, dass „mit AfD Stimmen gewählt werden“ nicht gleichbedeutend mit „mit der AfD zusammenarbeiten“ ist. Erst recht, wenn im Vorfeld keine Absprachen stattgefunden haben. Aber man kann natürlich auch 20% aller Wähler zu Teufeln in Bürgergestalt erklären. Geht ja.
Ja, Volker Wissing geht auf „Angriff“. Nur in die falsche Richtung. Niemand braucht eine weitere rot-grüne Partei in Deutschland. Mit dieser Marschrichtung verliert die FDP mehr Mitglieder und Wähler rechts einer politischen Mitte, als sie links hinzugewinnen kann. Wir müssten meiner Ansicht nach die Alternative zur Alternative UND zur linksgewendeten Union sein. Aber der Beifall von Leuten, die sich eher die linke Hand abhaken würden, als FDP zu wählen, scheint der FDP-Spitze wichtiger zu sein, als Rückgrat zu beweisen und Politik für eine liberal-konservative, bürgerliche Mitte zu machen, die doch so dringend eines politischen Fürsprechers und einer politischen Stimme bedarf. Einer Mitte, die mit Gendergaga, Klimaparanoia, Rassismusgewese und „All refugees welcome“ nichts anfangen kann, weil sie links ihre Kinder großziehen und rechts ihre Eltern pflegen muss und zwischendurch noch „Demokratieabgabe“ und nächstens CO2-Steuern zahlt, die umweltsäuische Mitte. Die gerne „mehr Netto vom Brutto“ und eine akzeptable Alters- und Krankenvorsorge hätte. Die bereit ist, selbständig und eigeninitiativ Geld dafür zurückzulegen, für das sie derzeit keinerlei Zinsen bekommt. Die – um im FDP-Jargon zu bleiben - „Fortkommen durch eigene Leistung“ sucht. Und die so verzweifelt ist, dass sie eine AfD statt einer FDP wählt.
Ich hatte gehofft, die FDP hätte dies 2017 endlich begriffen und hätte auch endlich genug Rückgrat, um lieber von 80% der Bevölkerung gehasst zu werden, statt von 96% ignoriert zu werden. Stattdessen erlebe ich eine sich an den Zeitgeist anbiedernde Partei, die ebenfalls in den „Gendergaga, Klimaparanoia, Rassismusgewese und „All refugees welcome““- Gewässern mit magentafarbenen Gesichtern rudert. Anscheinend in der stillen Hoffnung, von SPD, Grünen und CDU so ein halbes Prozentpünktchen bei den Zweitstimmen abzugreifen. Hat ja schon einmal so super geklappt…
Ministerpräsident Kretschmann sagte einst seinen Grünenden: „Wenn Ihr das so wollt, dann macht das so. Dann seid aber mit 5% zufrieden.“ Wahrscheinlich habe ich ja tatsächlich von Wahlkämpfen und Politik keine Ahnung – ich habe aber Ahnung von Menschen und weiß, dass sie Mut, Beharrlichkeit und Standhaftigkeit honorieren. Diese Eigenschaften sehe ich in der FDP nicht mehr.
Die Einzugsermächtigung für meine Beiträge erlischt hiermit.
Ich erkläre meinen sofortigen Austritt aus der FDP, den Liberallinken.
ein stilvoller Abgang geht so, dass man einfach aufsteht, sich Schlüssel und Zigarillos nimmt und wortlos, die Türe sanft schließend, den Club verlässt. Zu unserer aller Pech habe ich keinen Stil, weswegen ich die Türe zuknallen lasse.
Ich bin der FDP kurz vor der absehbaren Wahlkatastrophe 2013 beigetreten, weil ich sicher war (und bin), dass eine vernunftorientierte bürgerlich-liberale Politik für unsere Gesellschaft essentiell notwendig ist. Und weil ich es für wichtig hielt (und halte), den wöchentlichen Panikattacken auf Wirtschaft und Gesellschaft ein Gewicht entgegen zu setzen. Ein Gewicht, das aus der bürgerlichen Mitte und nicht von rechts außen kommen muss. In der FDP habe ich dieses Gegengewicht gesehen, in einer liberalen und bürgerlichen FDP, die sich Freiheit, Individualismus und Wettbewerb auf die später magentafarbenen Fahnen geschrieben hat. „Nicht lamentieren – machen!“ war meine Devise.
In den folgenden vier Jahren habe ich einiges an Geld und Freizeit in diese Idee investiert, meine Wohnräume für Vorstandsversammlungen zur Verfügung gestellt, da es nach der Bayern-Wahl auch kein Abgeordnetenbüro mehr als Treffpunkt gab, ich war an jedem verdammten Stand bei jedem verdammten Scheißwetter, um für Freiheit und Bürgerlichkeit zu werben, habe Plakate gehängt und wieder abgehängt, Kindern Luftballons in die Hand gedrückt und mich auf der Fußgängerzone beschimpfen lassen dürfen.
Sternstunden dieser Zeit waren der Wiedereinzug in den Bundestag 2017 und der Abbruch der Sondierungsgespräche mit schwarz-grün. Es schien mir, als hätte die FDP endlich ihre Rolle als bürgerliche Oppositionspartei begriffen. Mit Rot oder Grün macht man im Bund keine Geschäfte. Das sind keine bürgerlichen Parteien (mehr), sondern „fifty shades of red-green“ der Gängelei der Bürger. Der kann sich auf dieser Seite des politischen Spektrums nur aussuchen, von wem und wo und wie und warum er geschurigelt werden möchte.
Am 5.2.2020 wurde Thomas Kemmerich in einer freien und geheimen Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt. Mutmaßlich(!) mit den Stimmen von AfD UND CDU. Vielleicht hat auch ein AfDler Ramelow und ein Grüner Kemmerich gewählt, man weiß es nicht und das ist auch gut so.
Am 6.2.2020 gratulierte Volker Wissing (mittlerweile „unser“ Generalsekretär) Thomas Kemmerich und das war auch gut und richtig so. Es gab und gibt bis heute keinen Grund, warum Thomas Kemmerich seine Wahl hätte ablehnen sollen. Es gibt in einer Demokratie nur Mehrheiten – keine „schönen“ oder „hässlichen“ Mehrheiten. Davon steht auch aus gutem Grund nichts im Grundgesetz.
Selbstverständlich war auch der Rücktritt Kemmerichs korrekt – aber die Begründung war es nicht. Eine Partei, die mit gerade mal 10 Stimmen in einen Landtag einzieht, hat keine moralische(!) Berechtigung, den MP zu stellen. Einen Rücktritt damit zu begründen, dass ihn „die Falschen“ gewählt haben und dies der Bundeskanzlerin nicht so gut gefällt, ist einfach nur Bullshit und ein Schlag ins Gesicht der Wähler, die einen MP Ramelow verhindern wollten, in dem sie AfD, FDP und CDU wählten. Garniert wurde die ganze Affäre mit einem peinlichen „Nachtritt“ von Christian Lindner, der sich gar nicht so schnell freuen konnte, wie er sich entschuldigen wollte.
Dann wurde Linda Teuteberg geräuschvoll entsorgt und durch Volker Wissing er- und entsetzt.
Und der ging sofort, wie es sich für einen Generalsekretär gehört, „auf Angriff“…
Am 19.09. mein Volker Wissing gegenüber dem „Focus“, „der Staat kann vieles besser als der Markt“.
Via Twitter kritisiert er am 29.09.2020 das parlamentarisch völlig korrekte Vorgehen von Julia Klöckner (CDU) „alle Fraktionsspitzen“ zum Thema „Tierwohl“ einzuladen und nannte diese Einladung eine „Lockerungsübung der CDU für eine Zusammenarbeit mit der AfD“.
Am 6.Oktober 2020 zitiert Herr Wissing die „taz“ und meint, es sei dringend geboten, die Polizei auf „strukturellen Rassismus“ untersuchen zu müssen.
Ich gehe nicht davon aus, dass Volker Wissing während dieser Zeit an einer Erkrankung litt.
Am 8. Oktober bemerkt Thomas Kemmerich via Twitter sachlich vollkommen korrekt: „Nicht die Annahme der Wahl war ein Fehler, sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation.“ Wir erinnern uns an den Volker Wissing vom 06.02.2020, der, Zitat, meinte: „Ich finde es sehr honorig, dass sich Herr Kemmerich in dieser schwierigen Situation in die Verantwortung hat nehmen lassen“.
Der gleiche Volker Wissing schreibt nun, am 9. Oktober 2020, via Twitter an die Adresse von Thomas Kemmerich: „Eine Zusammenarbeit mit der AfD, die gesellschaftspolitisch auf Ausgrenzung setzt und sich nicht klar von rechtsextremen Elementen distanziert, kann es nicht geben.“ Am gleichen Tag distanziert sich der komplette Vorstand der FDP von ihrem kurzzeitigen und ehemaligen Ministerpräsidenten – statt ihm den Rücken zu stärken. Völlig übersehen wird dabei die Tatsache, dass „mit AfD Stimmen gewählt werden“ nicht gleichbedeutend mit „mit der AfD zusammenarbeiten“ ist. Erst recht, wenn im Vorfeld keine Absprachen stattgefunden haben. Aber man kann natürlich auch 20% aller Wähler zu Teufeln in Bürgergestalt erklären. Geht ja.
Ja, Volker Wissing geht auf „Angriff“. Nur in die falsche Richtung. Niemand braucht eine weitere rot-grüne Partei in Deutschland. Mit dieser Marschrichtung verliert die FDP mehr Mitglieder und Wähler rechts einer politischen Mitte, als sie links hinzugewinnen kann. Wir müssten meiner Ansicht nach die Alternative zur Alternative UND zur linksgewendeten Union sein. Aber der Beifall von Leuten, die sich eher die linke Hand abhaken würden, als FDP zu wählen, scheint der FDP-Spitze wichtiger zu sein, als Rückgrat zu beweisen und Politik für eine liberal-konservative, bürgerliche Mitte zu machen, die doch so dringend eines politischen Fürsprechers und einer politischen Stimme bedarf. Einer Mitte, die mit Gendergaga, Klimaparanoia, Rassismusgewese und „All refugees welcome“ nichts anfangen kann, weil sie links ihre Kinder großziehen und rechts ihre Eltern pflegen muss und zwischendurch noch „Demokratieabgabe“ und nächstens CO2-Steuern zahlt, die umweltsäuische Mitte. Die gerne „mehr Netto vom Brutto“ und eine akzeptable Alters- und Krankenvorsorge hätte. Die bereit ist, selbständig und eigeninitiativ Geld dafür zurückzulegen, für das sie derzeit keinerlei Zinsen bekommt. Die – um im FDP-Jargon zu bleiben - „Fortkommen durch eigene Leistung“ sucht. Und die so verzweifelt ist, dass sie eine AfD statt einer FDP wählt.
Ich hatte gehofft, die FDP hätte dies 2017 endlich begriffen und hätte auch endlich genug Rückgrat, um lieber von 80% der Bevölkerung gehasst zu werden, statt von 96% ignoriert zu werden. Stattdessen erlebe ich eine sich an den Zeitgeist anbiedernde Partei, die ebenfalls in den „Gendergaga, Klimaparanoia, Rassismusgewese und „All refugees welcome““- Gewässern mit magentafarbenen Gesichtern rudert. Anscheinend in der stillen Hoffnung, von SPD, Grünen und CDU so ein halbes Prozentpünktchen bei den Zweitstimmen abzugreifen. Hat ja schon einmal so super geklappt…
Ministerpräsident Kretschmann sagte einst seinen Grünenden: „Wenn Ihr das so wollt, dann macht das so. Dann seid aber mit 5% zufrieden.“ Wahrscheinlich habe ich ja tatsächlich von Wahlkämpfen und Politik keine Ahnung – ich habe aber Ahnung von Menschen und weiß, dass sie Mut, Beharrlichkeit und Standhaftigkeit honorieren. Diese Eigenschaften sehe ich in der FDP nicht mehr.
Dann schwimmt eben mit dem Strom. Wie es tote Fische tun. Aber künftig schwimmen Sie ohne mich, auf Leute wie mich sind Sie ja sowieso nicht angewiesen und die wollen Sie ja auch nicht. Ich bin ja auch zu ungeschmeidig und zu sehr Idealist. Ich suche mir einen anderen Zirkus und Sie bitte einen anderen Clown. Am besten einen mit einem Elektroroller und einem Dutt. Ich mache jetzt meinem Leiden ein Ende:
Die Einzugsermächtigung für meine Beiträge erlischt hiermit.
Ich erkläre meinen sofortigen Austritt aus der FDP, den Liberallinken.

Ist das nicht süß? Wirklich zuckersüß, wie sie jetzt alle springen, tanzen und singen? Da kommt so ein Ami aus Amirika zur Münchner Sicherheitskonferenz und hält den bei Häppchen und Sekt versammelten grauen Köpfen der europäischen Nomenklatura einen 20-minütigen, freien und fehlerlosen Vortrag über Demokratie und Mehrheiten, verzwergt seine Zuhörer und deklassiert sie und landauf landab fliegen die geohrfeigten Köpfe der Brandmaurer. Da stellt sich dann ausgerechnet ein ausgebildeter Neo-Sozialist wie der Bundespräsident, der vor nicht einmal 12 Monaten den amtierenden Präsidenten der USA als „Hassprediger“ abgekanzelt hat, hin und verbittet sich eine Einmischung der Amerikaner in die lautere und tadellose Demokratie der Schwachkopf-Anzeiger, „So-Done“-Betreiber und Morgens-aus-dem-Bett-Klingler. Da sind sie alle ganz aufgeregt, die, die nicht müde wurden, zu beteuern, dass mit Donald Trump das absolut Böse ins Weiße Haus einziehen wird. Die den altersschwachen Joe Biden zu einem stolzen Führer der freien Welt mit dem absoluten Überblick verklärten, um gleich anschließend Kamala Harris zu einer Lichtgestalt zu verklären, die den Heiligenschein Jesu um Milliarden Lux überstrahlte. Diese Politiker und Medien beschweren sich nun wie mit der Hand in der Keksdose ertappte Kinder über eine Rede, die ihnen, den Führern des Wertewestens und des freiesten und buntesten und diversesten Europas, das es je seit der Belagerung Konstantinopels gab, die demokratischen Leviten liest. Witzig – während ich diese Zeilen schreibe, lese ich auf X, dass der Rechtsanwalt Markus Roscher zu 3.000,- € Geldstrafe verurteilt wurde, weil er in einem Tweet Habeck, Scholz und Baerbock für das Heizungsgesetz als „boshafte Versager“ bezeichnet hat. Sein Waffenschein steht nun wegen „Unzuverlässigkeit“ ebenfalls zur Diskussion. Außerdem muss er im „Wiederholungsfall“ – nämlich, dass er die Genannten „in ihrem öffentlichen Wirken erheblich beeinträchtigt“ – damit rechnen, dass ihm der Entzug seiner Anwaltslizenz droht. Außerdem wurde er gewarnt, dass er im Einspruchsverfahren mit einer noch höheren Geldstrafe rechnen müsste. Sieht so die Meinungsfreiheit „unserer Demokratie“ aus? Das exakt ist es, was Vance mit seiner Rede gemeint hat. Und was unsere Politisierenden und die geneigten Medien vehement und ganz wehrhaft mit wedelnden Armen abstreiten. „Keine Meinungsfreiheit? Stimmt ja gar nicht! Halt die Fresse!“ Ich mag die AfD nicht. Ich finde sie zu wenigstens 60% ganz schrecklich, weil da auch ganz schreckliche Leute mitmachen, deren Stammtische ich schon in Jugendtagen gemieden habe, obwohl es die da noch gar nicht gab. Das spielt in einer Demokratie aber keine Rolle, wen ich mag oder nicht mag. Ich persönlich finde Grüne und Linke noch viel schrecklicher, radikaler und ja – auch gewalttätiger. Erst recht, wenn sie 1933 als Rechtfertigung für Zerstörung und Körperverletzung als Alibi heranziehen. Aber ebenso, wie ich die Einen ertragen muss, muss ich auch die anderen ertragen. Und, als Demokrat, bestenfalls mit beiden reden, weil sie vielleicht ja doch einen Punkt haben. Außerdem ist es unfair und undemokratisch, eine 20%-Partei in ihrer parlamentarischen Arbeit zu behindern und ihnen ihrer Partei zustehende Posten zu verweigern oder Gesetze und Regeln so elegant hinzubiegen, dass sie keine Chance haben, für das Geld, das sie auch von ihren Wählern bekommen, Ihren Job zu machen. Unser Grundgesetz (dessen Hochhalten in Corona bereits bestraft wurde) sieht keine „guten“ und „schlechten“ Wählerstimmen vor. Es gibt schlicht keine Abstufung. Vance hat nichts anderes gesagt als seinerzeit Gorbatschow zu den Betonköpfen im Politbüro: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Wer sich nicht um die Anliegen von mindestens 20% - eigentlich aber sogar mehr als 50% aller Wähler kümmert (ja, wir reden hier von illegaler Migration und Union und AfD gemeinsam), der darf sich dann auch nicht wundern, wenn die eigene, überhebliche Arroganz gegenüber dem Wahlvolk, das die ganze Butze finanziert, zur eigenen Abwahl führt. Es ist das tiefste Wesen einer Demokratie, dass es keinen Adel und keine Kaste gibt und das Volk seine Regierungen bei Nichtbeachtung abwählen und einer neuen Regierung eine neue Chance geben kann, darf, soll und – im Eigeninteresse – sogar muss. Nichts anderes hat Vance versucht, seinen europäischen Gesprächspartnern, die nun gemeinsam mit den ihnen gewogenen Medien aufgeregt flügelschlagend umeinanderkreisen, klarzumachen. Und als Antwort bekommt er – und wir – unter dem Strich die gleiche Antwort, die seinerzeit Honecker gab: „Unsere Demokratie in ihrem Lauf halten weder Trump noch Vance auf“. Flankiert von dem üblichen Gesülze von Trump als Sith-Lord mit Musk und Vance als böse Palatine. Die glauben das wirklich! Außerdem hat Vance mit Weidel und Merz gesprochen. GESPROCHEN! Sie haben richtig gelesen. Die Amerikaner haben glasklar erkannt, dass mit der EU und den Wichtigtuern der deutschen Regierungsparteien schlicht „kein Staat“ zu machen ist. „America first“ heißt auch „Europe second“ und die Rede von Vance und die Reaktionen darauf haben tatsächlich gezeigt, mit welchen eitlen und wichtigtuerischen Wichten wir es in „unserer Demokratie“ zu tun haben. Wird sich aber nun etwas ändern? Natürlich nicht. Die europäischen Kleinmächte mit ihren zappeligen Demokratieminderleistern werden sich einigeln und hoffen, dass die nächsten vier Jahre Trump und dann vielleicht vier Jahre Vance an ihnen wie ein Gewittersturm vorüberziehen werden. An uns als Wählern liegt es, ob dies so sein wird.

Haben Sie die Bilder gesehen? Robert Habeck hat eines verbreitet, Olaf Scholz ein anderes. Robert Habeck war nämlich in Auschwitz. Aber nur als Besucher. Olaf Scholz auch, auch als Tourist. Auf dem Bild Robert Habecks sieht man ihn aus der Rückenansicht, wie er zwischen einem Gebäude (dem Krematorium?) und zwei Stacheldrahtzäunen, ganz allein, fast einsam, entlangflaniert. Das ganze Bild, in einen orangen Filter getaucht, erinnert stark an die „Jever“-Werbung. Ein Mann. Seine Gedanken. Ein KZ. Veröffentlicht hat Robert Habeck das Bild auf X mit dem Untertext: „Heute, am 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, habe ich in Polen das Stammlager I und später das Konzentrations- und Vernichtungslager in Auschwitz-Birkenau besucht. Neben dem offiziellen Teil gab es auch ein paar Momente allein. Ich brauche dazu nichts zu sagen, denke ich.“ Ein paar Momente. Allein. Robert Habeck mit sich selbst. Und dem Kameramann. Und den Personenschützern. Möglicherweise auch mit seinem Social-Media-Team und seinem Wahlkampfteam. Aber allein. Hauptsache allein. Mit seinen Gedanken. Und die teilt er mit, indem er sie nicht mitteilt. So isser, unser Robert, gell? So ein eigentlich stiller, besinnlicher und, ja, auch tief philosophischer Typ. Ich kann mich nicht gegen meine Phantasie wehren. Ich sehe mich mit Robert Habeck und seinem Team da, in dieser Todesgasse stehen und das, was wie ein Schnappschuss – welch grässliches Wort in einem Konzentrationslager – aussieht, inszenieren: „Robert, wir machen das von hinten. Wie in der Werbung. Geh ein paar Schritte nach da. Nicht umdrehen, Robert, NICHT UMDREHEN, HERRGOTT, ja, so isses gut, Stimmt das Licht, Malte? Klasse. Nicht so weit weg, Robert, es muss zufällig aussehen und wir können das Stativ und das Licht nicht hinter Dir hertragen. Geh nochmal so… JA, PASST, IS IM KASTEN! Super Robert, das wird ein Kracher!“ Ein Hauch von Bierwerbung weht durch das Bild: Wie das KZ, so das Jever. Ich weiß nicht, ob er oder Olaf Scholz schneller war, unser Kanzler ließ sich von hinten insze… fotografieren, wie er vor einem der Öfen im Krematorium steht. Mittig. Im gedämpften Licht. Besinnlich und sich besinnend. Ob er da ein Gebet gesprochen hat? Man weiß es nicht, aber die Bildkomposition ist sehr schön, sehr symmetrisch. Da hat das Fotografierende gut mitgedacht. Diesen beiden Typen ist das vielleicht grausigste und grausamste Vernichtungslager der Welt nicht zu schade, um sich zu Wahlkampf- und Eigendarstellungszwecken optisch hübsch in Szene zu setzen, um einen auf „besinnlich“ zu machen. Das, was vor Ort passiert ist, wo Menschen verprügelt, verreckt und schlussendlich vergast wurden, wird heute von ganz aufrecht unserdemokratischen Politikern zur Gruselkulisse für nicht hässliche Bilder, zum „Auschwitzland“ für professionelles Trauern herabgewürdigt. Wahres und echtes Gedenken braucht keine Pressefotografen, sondern Ruhe und Geschichtsbewusstsein, was ich mit einem Pulk von Fotografen, Security und Begleitentourage für höchst schwierig halte. Beide Bilder haben einen bitteren Beigeschmack von „Halloho? Ich trauere und bin nachdenklich! Seht Ihr, wie ich trauere? Seht Ihr es? Kinners, hierher, ich trauere! Guck, da der Ofen, da der Stacheldraht, schrecklich. Soll ich nochmal im Halbprofil…?“ Es gibt vielleicht noch eine Handvoll Leute, die aus Auschwitz entkommen und bewusst erzählen können, wie es war und auch sie werden bald gestorben sein. Wer als 10-jähriger da hinkam und überlebte, ist spätestens 1935 geboren und heute 90 Jahre alt. In zehn bis zwanzig Jahren wird die Erinnerung an den Holocaust nur noch virtuell in Filmen und Literatur gegenwärtig sein, da es keine Zeitzeugen mehr gibt, die das Monströse dieses Ortes aus eigener Anschauung vermitteln können. Dann wird Auschwitz endgültig zur Gedenkkulisse von Politikern herabgewürdigt werden, wenn die Museumsleitung hier nicht eingreift. Eigentlich sollte auf dem gesamten Gelände ein Fotografier-Verbot herrschen. Auch und besonders für Politiker. Das ist kein Ort, um Besinnlichkeit zu heucheln und publikumswirksame Bilder zu schießen. Oder lustige Selfies für Instagram und Tiktok zu machen. Was kommt als Nächstes? „My friends went to Auschwitz and all I got was this lousy T-Shirt“? Das ist Auschwitz. Der Ort eines der größten Verbrechen der Menschheit. Ein Ort, an dem Täter zu viehischen Barbaren und Opfer zur vernichtbaren Objekten herabgewürdigt wurden. Ein Ort, gegen den die Hölle ein angenehmer Platz sein muss. Ein Ort, an dem es keine Moral und keine Menschlichkeit mehr gab. Und an diesem Ort standen zwei Politiker in guter Ausleuchtung und simulierten Anteilnahme. Dann reisten sie wieder ab und beschlossen, noch mehr Judenhasser ins Land zu lassen. Es widert mich nur noch an.

Baerbock hat einen. Habeck hat auch einen. Und Scholz auch. Und – jetzt müssen Sie sehr stark sein – Alice Weidel auch: Einen Großvater, der – halten Sie sich fest – bei der Wehrmacht war. Oder sogar bei der Waffen-SS. Haben Sie sich erholt? Gut so! Was allerdings bei den einen als „naja, also, ehm, war halt so“ durchläuft, ergibt bei der anderen eine Art raunende Sippenhaft: „Aha, daher ist die also bei der AfD. Weil der Opa ein Nazi war.“ Ich glaube, es ist genau diese moralische Doppelbödigkeit, die die meisten native Germans in ungute Schwingungen versetzt, um es vorsichtig auszudrücken. Aber ich will auf etwas anderes hinaus: Denn derartiges Raunen im Blätterwald ist immer auch eine gute Gelegenheit, sich einmal mit der eigenen Familiengeschichte zu beschäftigen. Ich betreibe seit einigen Jahren interessiert die Genealogie meiner Familie. Fast 2.000 Personen tummeln sich mittlerweile im schneiderschen Stammbaum und ein bisschen macht es mich stolz, wie viele Leute sich seit wann Mühe gegeben haben, damit ich als Thilo Schneider diesen Artikel schreiben kann. Übrigens nicht nur mit mir, sondern mit jedem, der diese Zeilen liest. Also: Nichts besonderes, aber trotzdem spannend, die eigenen Wurzeln zu erkunden. Aller Anfang ist einfach, die meisten Menschen werden sich an Vater und Mutter (oder, in ein paar Jahren, Vater und Vater und Mutter und Mutter und Vater zu Mutter und Mutter zu Vater) erinnern. Dann kommen die Großeltern, die die meisten ebenfalls noch kennen dürften. In meinem Fall sind das vier Personen, die zwischen 1900 und 1920 geboren sind und - ich war bereits mit 15 wach genug, um nachzufragen – schlicht Menschen ihrer Zeit waren. So, wie ich Mensch meiner Zeit bin. Ich erinnere mich an die erbitterten Diskussionen meiner Eltern in den 70ern bezüglich des Abtreibungsparagraphen. Meiner Mutter war dafür, mein Vater eher dagegen. Er war auch gegen den Sexualkundeunterricht, der erteilt werden sollte – bis er die Lehrerin kennenlernte. Da war er plötzlich, zum eifersüchtigen Ärger meiner Mutter, dafür. Mein Vater lebte das für die 70er Jahre typische Leben: Haus bauen, Auto kaufen, Ehefrau arbeitet mit dazu, gemeinsam gabs eine hübsche Doppelhaushälfte mit 600 m² Garten für - mein Vater betonte gelegentlich den irren Preis - 160.000,- DM. Da und so wurde ich groß. Gesellschaften endeten meist in einem Gelage aus „C&C“, aus „Cognac und Cigaretten“, das war eben so und war eben so Usus. Wenn ich meinen Eltern etwas nicht verzeihe, dann sind es diese grässlichen Nickipullis für Kinder, in denen wir alle wie die Idioten ausgesehen haben. Erst recht mit den geschnittenen Ponys, die wir heute als „Problempony“ bezeichnen. Kindheit ist für mich der Geruch von Logema-Plättchen, Bohnerwachs und dem sommerlichen Mief eines überhitzten Ford Taunus 17 M TS und Opel Konsul ohne Sicherheitsgurte auf der Rückbank. Und natürlich wurde im Auto geraucht. Was weiß ich noch? Ein Großvater war im Krieg „unabkömmlich“, als Ingenieur in einer Herdbau-Fabrik plante und überwachte er die Fertigung von Panzertürmen. Hat er sich das ausgesucht? Eher nicht. Eines Tages dürfte sein Chef auf ihn zugekommen sein und verkündet haben, dass die Produktion hübscher gusseisener Herde nun auf die Produktion hübscher gusseisener Panzertürme umgestellt wird. Ist eben so. Der andere war tatsächlich gelernter Schneider und erlebte noch die Geburt seiner ersten Tochter mit, bevor er eingezogen wurde. Der war in Norwegen bei den Besatzungstruppen und sah sein Kind dann drei Jahre lang nicht. Bevor er sich eine derart kräftige Lungenentzündung nebst Nierenerkrankung in irgendeinem dämlichen Fjord zuzog, dass er als Kriegsversehrter ausgemustert wurde. Von ihm ist die Anekdote übermittelt, dass meine Mutter mit ihren drei Jahren schreiend davonlief, als er nach Hause kam. Erkannt hat sie ihn erst, als er seine Schirmmütze aufsetzte – da sa er so wie auf dem Bild aus, das meine Großmutter ihr immer gezeigt hatte, nach dem Motto: Das ist der Papa und der hat Dich sehr lieb, aber der ist im Krieg. Der Mann war chronisch krank und lebte bis in zu seinem relativ frühen Tod in den 70ern bei uns. Geblieben ist mir sein Kriegsfotoalbum und die Geschichten, die er zu erzählen wusste. Da steht er immer nur mit irgendwelchen Kameraden herum, im Biwak, auf Wache und in der Kompanieschneiderei. Kein schrecklicher Krieger oder großartiger Held, einfach nur ein junger Typ, der eben im Feldersatzbataillon sein Ding machte. Gekämpft hat er kaum, er hat einfach nur das Glück im Unglück gehabt, sich neben der Lungenentzündung auch eine chronische Nierenerkrankung zuzuziehen. Toll fand er das sicher nicht – ersparte ihm aber den Gang nach Russland. Mein Großonkel, ein junger Typ Anfang Zwanzig, ein, wenn man dem einzigen hinterlassenen Bild glauben darf, hübsches Kerlchen, kam Ende 1944 auf Heimaturlaub in das Kaff, in das meine Großeltern nolens-volens zwangsevakuiert waren, weil sie ausgebombt waren. Meine Großmutter beschwor ihren Bruder, auf und in dem Kaff unterzutauchen, das Kriegsende war absehbar. Aber er wollte seine Kameraden nicht im Stich lassen. Während der Ardennenoffensive hat es ihn dann erwischt, sein Grab habe ich nahe der luxemburgischen Grenze mal besucht. Er hat gleichzeitig sehr ehrenhaft und sehr saudoof gehandelt. Bezahlt hat er seine Treue – nicht zum „Führer“, sondern zu seinen Kameraden - mit seinem Leben. Ein Held? Sicher nicht. Eher einer, der einfach Pech gehabt hat. Meine Urgroßmutter wiederum – da habe ich bei der entsprechenden Stelle nachgeforscht – litt an Schizophrenie und wurde in Hadamar vergast. Ich war dort, in der Gaskammer. Schauderhaft und herzerweichend und ich hoffe für sie, dass sie derart umnachtet war, dass sie nicht mitbekommen hat, was mit ihr passierte. Erschütternd sind die liebevollen Briefe zu lesen, die ihr mein Urgroßvater in die Klinik geschrieben hat und wie ihn die grässlichen Ärzte belogen haben und mit welcher Kaltblütigkeit sie ihre Patienten zuerst verraten und dann umgebracht haben. Ich bin nicht nah ans Wasser gebaut – aber das hat mir die Beine unter dem Leib weggerissen. Ein anderer Onkel wollte Lehrer werden. Der hat erzählt, dass er sich mit seinen 19 Jahren bei der Waffen-SS verpflichten musste. Keine Ahnung, ob das stimmte oder er ein „150%tiger“ war. Auf jeden Fall dauerte das Spiel nicht lange und gleich beim ersten Einsatz geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Auch hier: Glück im Unglück. Seine Tochter hat witzigerweise einen Amerikaner geheiratet, der in unserem Schtetl stationiert war und folgte ihm nach seiner Dienstzeit nach Texas. Die Begeisterung meines Onkels darüber hielt sich in sichtbaren Grenzen. Jeder lebt sein Leben, so gut er es vermag. Aber ich gönnte es ihm. Mein Vater war bei der Hitlerjugend. Er erzählte, dass seine Eltern da furchtbar dagegen waren, ob aus Angst oder Überzeugung weiß ich nicht. Aber alle seine Freunde waren auch dabei! Er hat sich mit Hilfe der NS-Organisation durchgesetzt, nachdem seine Eltern Besuch bekamen, um „einen Sachverhalt zu klären“. Der war mit seinen 14 Jahren Teilnehmer am berühmten „Patton-Raid“ bei Hammelburg und schlug sich danach 14 Tage alleine bis zu seinem Wohnort durch. Bis er ankam, war seine Stadt in amerikanischen Händen und der Krieg für ihn vorbei. Und er, im doppelten Wortsinne, geheilt. Neue Schuhe zu bekommen, war für den Schneiderlehrling das Hauptproblem, wie ein Anforderungsschreiben seines Lehrherren an die amerikanische Kommandantur beweist, die in seinem Nachlass aufgetaucht ist. Ich denke, alle diese kurzen Anekdoten sind charakteristisch für die meisten von uns, die sich mit ihrer noch ziemlich nahen Herkunft beschäftigen. Waren diese Geschichten für uns noch greifbar, weil wir die handelnden Personen kannten und liebten, wird es „nach hinten raus“ schwieriger. Auf den wenigen Bildern aus dem Anfang des letzten und Ende des vorletzten Jahrhunderts – meist gibt es ein Familiengruppenbild, Photographien waren teuer! – stehen sie da, in bröseligem Schwarz-Weiß. So streng und konzentriert, wie wahrscheinlich auch ihr nicht einfaches Leben war. Die Frauen schauen durch die Bank gescheitelt und sehr freudlos aus, kaum jemand lächelt, sie alle tragen einen Look, wie in Gruselfilmen die Geister ausgestattet sind: Im edlen Sonntagsstaat und schlecht gelaunt. Aber so waren sie sicher nicht. Jeder von meinen Vorfahren hatte irgendeine Freude, irgendeine Passion, jeder dürfte das Glück der ersten Liebe und auf jeden Fall des ersten Kusses gehabt haben. Jeder von denen war einmal jung und voller Hoffnung und Freude auf das, was da dereinst kommen mag. Der eine dürfte sich über sein neues Pferd, der andere darüber gefreut haben, als er das erste Auto oder das erste Telefon oder das erste „Rundfunkempfangsgerät“ bekommen hat. Oder den nagelneuen gusseisernen Herd oder die Wäscheschleuder. Jeder von denen hat persönliche glorreiche Siege und vernichtende Niederlagen erleben dürfen, Glück und Leid. Je weiter ich ins 19te Jahrhundert vorgedrungen bin, desto höher wurde die Zahl der Kinder, desto verzweigter die „Nebenlinien“. Fünf, sechs, acht, zehn Kinder – keine Seltenheit. Nicht alle haben die ersten 20 Lebensjahre überlebt. Es wimmelt von Totgeburten, Krankheiten und Unglückfällen und ich sehe sie alle vor mir, wie ihnen das erste Mal verkündet wird, dass sie Vater werden („hurra“) oder das achte Mal („bitte nicht schon wieder“). Die Stammbäume verzweigen sich immer weiter, decken vergessene Familiengeheimnisse wie Suizide oder seltsame Eheschließungen auf. Meine Vorfahren waren im Ersten Weltkrieg, gingen 1866 vor den Preußen in Deckung, waren 1870/71 dabei, erlebten den Durchzug der „Grande Armee“ und dann der Bayern, er- und überlebten Könige, Kaiser, Gebietsneuordnungen, durchziehende Horden, Pest, Pocken und Kinderlähmung und mussten mit all diesen Dingen zu ihrer Zeit und mit ihren Möglichkeiten umgehen. Sie waren Untertanen des Mainzer Bischoffs, dann Untertanen eines Fürstentums, dann plötzlich Bayern. Steuern zahlen mussten sie überall. Unter jeder Herrschaft. Wer wäre ich, das in der Rückschau beurteilen zu wollen? Es waren ihre „über den Leisten geschlagenen Schuhe“ oder einem Toten abgenommenen Reiterstiefel, in denen sie liefen, nicht meine. Ich sehe sie in den Schlangen stehen, bei der Musterung, bei der Essensausgabe, bei der Registrierung ihrer Ankunft in Amerika und nackt vor dem Eingang zu den „Duschräumen“. Es wimmelt von Helden und von Schurken, von armen Bauern, ärmeren Tagelöhnern und ausgebeuteten Mägden. Mit Sicherheit auch von Tätern und von Opfern. Und einen leibhaftigen Dorfschultheiss und wenigstens eine Nonne kann ich aufbieten. Mein Urgroßvater wird unangenehm überrascht gewesen sein, dass ihm die Franzosen das Kaufhaus in Straßburg 1918 nicht ließen… Mir fielen vor einiger Zeit die „Erinnerungen des Generals Marcellin Marbot“, einem französischen Husaren Napoleons, von etwa 1790 bis 1813 in die Hände, in denen er genüsslich eine Anekdote beschreibt: Als er in meiner Heimatstadt stationiert war, kurz vor dem Russlandfeldzu Napoleons, „pflückte“ er in einem kleinen Kaff, das heute Stadtteil ist, „eine zarte Rose des ortsansässigen Müllers“, exakt so beschreibt er es. Es gab nur eine Mühle und meine Großmutter stammt aus dieser Mühle. Vielleicht also ist jener General, der da „Fisematenten“ machte und ein „Techtelmechtel“ hatte, einer meiner Vorfahren und mir gehört zu einem 100stel ein Schloß in Frankreich. Als Nachfahre des dann geborenen Bastards, den einer meiner Vorfahren danach brav aufgezogen hat. Lege ich sein Portrait von 1815 neben ein Foto meines Neffen von 2024 – dann sind das die gleichen Personen. Witzig. Kleine Dramen im großen Theaterstück der Geschichte, Geschichtchen in der Geschichte. Längst vergessen und sie tun nicht mehr weh. Bis ins Jahr 1583 bin ich vorgestoßen, was bei uns Nicht-Adeligen extrem schwierig und selten ist, da die meisten Kirchenbücher im Dreißigjährigen Krieg den Biwakfeuern der Katholiken und Protestanten und Schweden und anderem herumziehenden Gesocks zum Opfer fielen. Und von oben betrachtet bin auch ich nur ein winziges Rädchen, das soeben diesen Text hier geschrieben hat, der bereits in zehn Jahren vergessen sein wird und, sofern es dann noch Strom und Internet gibt, nur mit viel Glück in 100 Jahren noch auffindbar sein wird. Wer von meinen Nachfahren diesen Text also in 100 Jahren liest: Erhebe Dein Glas auch mich und trag mir bitte nichts nach. Ich habe alles so gut gemacht, wie ich es konnte. So war das eben damals, 2024, auch ich bin nur ein Kind meiner Zeit. Also bitte verurteile mich nicht – auch, wenn ich Dich wahrscheinlich, als geschlechts- und CO2-neutrales Kindendes des Jahres 2124, für einen verwöhntes Blag halte. Ich komme eben aus der Vergangenheit.

„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“