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Das unbekannte Gewesen

Thilo Schneider • Juni 12, 2019

Zwischen Kennen und Erkenntnis

Ich habe ein sehr großes Problem, das eigentlich kein Problem ist, aber schon doch auch ein Problem: Ich kann mir keine Gesichter und wenn doch, dann keine Namen dazu merken. Neulich zum Beispiel: Da bummele ich nichtsahnend mit der besten Lebensgefährtin der Welt durch die Fußgängerzone, als plötzlich eine wildfremde Frau auf mich zustürmt und mich umarmt: „Ja hallo, Mensch, altes Haus, lange nicht gesehen... Wie geht´s Dir denn?“ Ich bin etwas perplex. Die Anzahl meiner bisherigen Liebschaften lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen, weil ich doch sehr anständig bin und außerdem zu einer Zeit erwachsen wurde, als noch nicht sicher war, ob Aids nicht bereits durch Ansprechen übertragen wird. Die ignorierte Lebensgefährtin ist genauso verdutzt wie ich. Wer ist´s, der mich hier begeistert und enthusiastisch in den Schwitzkasten nimmt? Die Dame hat augenscheinlich mein Alter, aber…

Ich überlege fieberhaft meine Optionen. Fakt ist, ich habe nicht den leisesten Hauch einer Ahnung, wer mein Groupie ist. Gebe ich das aber zu, dann wirkt das sehr rücksichtslos und oberflächlich, was ich ja eigentlich auch bin, aber das muss ich ja nicht jedem auf die Nase binden. Jedenfalls nicht gleich. Frage ich also, wer denn die Holde ist, oute ich mich. Außerdem ist es peinlich, dass sie zwar mich, aber ich nicht sie kenne, was bedeutet, dass ich ihr besser im Gedächtnis geblieben bin, als sie mir. Das hat ja wohl einen Grund. Den ich lieber nicht wissen will.

Eine Bekannte von mir, deren Lebensstil mit „promiskuitiv“ nur unzureichend beschrieben wäre, antwortete auf die gleiche Frage „na, kennst Du mich nicht mehr?“ mit einem schlanken „haben wir miteinander geschlafen?“, aber das kann ich ja nicht machen, weil ich ein Mann bin (oder wenigstens mal war) und die beste Gefährtin nebendran steht und außerdem wäre es mir dann peinlich, wenn sie mit „nein“, oder, schlimmer, mit „ja“ antworten würde. Außerdem war ich in der Auswahl meiner Gespielinnen immer sehr wählerisch. Und bis zum Filmriss habe ich mich noch nie betrunken. Die begeisterte Dame vor mir habe ich definitiv nicht beschlafen. Sie muss mich woanders her kennen. Und sie muss mich nah genug kennen, dass ich eine Umarmung wert bin.

Eine meiner drei halben und einer ganzen Schwester ist es auch nicht. Die wohnen woanders. Und die hätte ich auch erkannt. Wahrscheinlich. Am Besten ist es, ich bleibe unverbindlich: „Ja, öhm, gut, wie Du siehst, das da ist übrigens Madeleine, meine Lebensgefährtin, die da gerade kichert.“, und ich zeige mit dem linken Daumen auf die Gefährtin. „Oh“, sagt das Groupie leicht ernüchtert und lockert die Umarmung. „Ich dachte, Du seist noch verheiratet“, sagt sie auch. „Ehm, hihi, nein, also doch, ja, demnächst wieder (liebevoller Blick zur Gefährtin) und wie geht es Dir so?“, entgegne ich, in der Hoffnung, ihre Zustandsbeschreibung möge die Nebel über meiner Erinnerung lichten. Meine Umarmerin seufzt. „Ach“, sagt sie, „seit mich Dieter verlassen hat…“ Und ich kenne keinen Dieter. Ich habe nie einen Dieter gekannt und wahrscheinlich werde ich nie einen Dieter kennenlernen. Ich meide Menschen, die Dieter heißen. For no particular reason, just because. Und wer hat in den 60ern und 70ern sein Kind schon Dieter genannt?

Mein Fan kommt jetzt in Erzähllaune: „Am Anfang war das nicht einfach, deswegen musste ich dann ja bei der Rent-a-Slave-Arbeitsvermittlung anfangen mit dem Halbtagsjob…“, nein, keine Chance. Es klingelt nicht. Ich kenne keine Arbeitsvermittlung, „…aber ich habe dann tatsächlich eine Ganztagsstelle beim Lebensmittelmüller bekommen, wie Du ja vielleicht weißt…“, woher zur Hölle soll ich das wissen? Ich kenne keinen Lebensmittelmüller und keine Ganztagsstelle, „…ja und nachdem ich mir ja den Labrador gekauft hatte…“, ich kenne keine Leute, die einen Labrador haben und will auch keine Labrador-Menschen kennen, „…bin ich dann nach Untermeisenheim gezogen…“, wo auch immer dieser Höllenort liegen mag, ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, „…auch wegen Kevin und Isabell…“, wer immer das ist, ich vermute, es handelt sich um die Frucht ihrer Lenden, auf jeden Fall aber bitte auch um Dieters Lenden und nicht um meine, „…und seitdem geht es mir auch besser. Bis auf den Bandscheibenvorfall vor zwei Jahren und die Depressionen danach…“, Fehlanzeige. Weder Bandscheibe noch Depressionen. Ich habe weder im engeren, noch im weiteren Bekanntenkreis Menschen mit derartigen Beschwerden, „…aber so weit bin ich wieder hergestellt, wie Du siehst…“, verkündet sie stolz.

Das hat jetzt alles nicht wirklich weitergeholfen. Ich bin etwas ratlos. „Und? Wo gehst Du jetzt hin?“, frage ich, um überhaupt etwas zu fragen. „Ich gehe einkaufen, ich brauche noch Brot und Balsamico und noch ein paar andere Kleinigkeiten“, gibt mir die schnöde Unbekannte brav zurück. Ich versuche es mit einer List: „Sag mal, weißt Du, was aus der Dings, wie hieß sie doch gleich… weißt Du, was aus der geworden ist?“ Mein Gegenüber denkt nach: „Du meinst sicher die Petra Schmitt! Du, die hat geheiratet und wohnt jetzt in München. Heißt jetzt Schmitt-Hindelang“, und es dämmert mir. Es dämmert mir, dass ich keine Ahnung habe, wer Petra Schmitt, jetzt Schmitt-Hindelang, ist. Ich habe diesen Namen noch nie gehört. Ich kenne auch niemanden in München. Außer Alexandra, aber die heißt anders. Anders heißt sie mit Nachnamen.

„Das ist schön“, gebe ich zu Protokoll, „…aber Du, wir müssen jetzt weiter, war echt schön, Dich mal wieder zu, ehm…“ „Ja, Thomas, das finde ich auch!“, freut sich die Kuschlerin offensichtlich. „Haha“, antworte ich, „Thilo! Ich heiße doch Thilo!“ Die Straßenschmuserin tritt zwei Schritte zurück und mustert mich und grinst: „Na komm. Du bist doch Thomas. Thomas Lange aus Elsterfeld. Wir haben doch zusammen Abi gemacht… Kennst Du mich echt nicht mehr?“, sie wirkt verblüfft und etwas enttäuscht, „…wir waren doch danach noch Zelten auf dem Campingplatz in Bozen…“ „Nein, das weiß ich bestimmt. Ich heiße Thilo Schneider, ich habe kein Abi, hasse Zelten, habe nie gezeltet und komme auch nicht aus Elsterfeld, sondern aus Aschaffenburg. Du verwechselst mich anscheinend...“ Neben mir hustet die Hüterin meines Herzens, um nicht laut lachen zu müssen. „Oh…“, meine Beschmuserin wirkt sehr traurig, „…dann habe ich Sie anscheinend verwechselt…“, und in diesem Moment tut sie mir leid.

„Ich habe nur Spaß gemacht, natürlich bin ich Thomas, alles gut, ich wollte Dich nur auf den Arm nehmen, ehm…“ „Silke. Ich bin die Silke. Schade, dass Du Dich nicht erinnerst…“, sagt sie deprimiert, „wir hatten eine wirklich gute Zeit, wir beiden. Schade, dass Du Dich nie mehr gemeldet hast. Aber umso schöner, dass wir uns heute mal getroffen haben. Du hast Dich nicht verändert, weder äußerlich, noch anscheinend innerlich…“, konstatiert sie, „aber ich wünsche Euch beiden viel Glück und alles Gute!“ Dann dreht sie sich traurig um und geht.

Thomas ist aber auch echt ein Arschloch. Gewesen. Er war mein bester Freund und er ist seit 30 Jahren tot. Autounfall. Und Silke war seine Ex. Daher also…

von Thilo Schneider 12 Jan., 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15 Juli, 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25 Juni, 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
Polizeikontrolle, mit Spielzeugautos nachgestellt
von Thilo Schneider 30 Mai, 2023
Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
Fallschirmjäger beim Sammeln
10 Dez., 2022
Wenn man morgens um 8 ohne Knoppers einen Staatsstreich vereitelt
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