Es ist kurz nach dem Mittagessen in der Mary&Gordy-Kaserne, als Unteroffizier Hartmann das mit Bildern des CSD 2012 geschmückte Büro von Major Weich betritt, die Hacken zusammentritt und salutiert: „Unteroffizier Hartmann meldet sich wie befohlen, Herr Major!“ „Ah ja, schön schön, rühren Sie – oder vielmehr setzen Sie sich doch, Herr Hartmann…“ sagt Major Weich und deutet einladend auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Herr Hartmann, das hier…“, er deutet mit der flachen Hand auf eine weitere Person, die in Zivil neben dem Major auf einem Stuhl sitzt, „…ist Frauke Gudula-Hansen vom Militärischen Abschirmdienst. Wir haben ein paar Fragen an Sie!“ „Sehr gerne, Herr Major…“, „Sagen Sie doch Klaus zu mir…“, „Sehr gerne, Herr Maj… Klaus.“ Die Zivilperson beugt sich nach vorne: „Können Sie sich denken, warum wir Sie einbestellt haben, Unteroffizier Hartmann?“ Der Unteroffizier schüttelt den Kopf: „Nein, Frau…“, „Herr. Herr Frauke Gudula-Hansen, ich trage das Pronomen he/his“, „Nein, Herr…“ Herr Gudula-Hansen tippt auf die Akte die vor ihm liegt: „Herr Unteroffizier, ich möchte offen, wertschätzend und respektvoll mit Ihnen reden.“, sagt er und schlägt die Akte auf, „Wir sind eine Unterabteilung des Bundesabwicklungsministeriums und dazu verpflichtet, rechtsradikalen Strömungen in der Armee nachzugehen. In diesem Zusammenhang sind uns bei Ihnen mehrere Meldungen Ihrer Kamerad:Innen aufgefallen…“
Unteroffizier Hartmann schaut verwundert. „Nun schauen Sie nicht so verwundert, im Einzelnen sicher nichts Tragisches, in der Summe aber… Hier, beispielsweise, eine Meldung der Gefreitin Florian Stürmer. Sie sollen die Soldat:Innen während des Antretens mit den Worten „Moin Mädels!“ begrüßt haben… Oder hier: „Während einer Übung hat mich Unteroffizier Hartmann angebrüllt, ich solle mich schneller bewegen!“ Oder hier, Jäger Lena Mesenkampp: „Nach einem anstrengenden Zwei-Kilometer Marsch hat mir Unteroffizier Hartmann in unangenehmem und unangemessenem Ton befohlen, mein Gewehr zu reinigen, obwohl ich ihm versicherte, dass es sauber ist!“ Hauptgefreiter Yousseouf: „Uffz Hartmann hat mich im Biwak aufgefordert, ihm eine Flasche Bier vom Snack-Wagen mitzubringen.“ Was sagen Sie dazu, Herr Unteroffizier?“
Der Angesprochene zuckt die Schultern: „Ich soll aus den Rekruten Männer machen…“ „Nein, Herr Unteroffizier, das sollen Sie eben NICHT!“, erwidert Gudula-Hansen, „Ihre Aufgabe ist es, aus jungen Rekrut:Innen Soldat:Innen zu machen. Soldat:Innen, die dem Berufsbild einer modernen Armee entsprechen. Aber es kommt noch schlimmer: Am 23.11. haben Sie Ihren Zug vor dem Kasernengebäude antreten lassen, obwohl es nieselte.“ Unteroffizier Hartmann zuckt die Schultern: „Ja, das stimmt. Na und?“ „Na und? Und wenn sich ein Soldat oder eine Soldatin erkältet und ausfällt? Wir haben sowieso wenig Personal. Wir können uns krankheitsbedingte Ausfälle nicht leisten!“ Unteroffizier Hartmann wendet sich hilfesuchend an den Major: „Herr Major, Klaus…“ „Sie müssen sich nicht hilfesuchend an den Major wenden, Herr Unteroffizier.“, fällt ihm Gudula-Hansen ins Wort, „Ich habe hier noch mehr! Da, 17. Oktober: „Uffz Hartmann lässt uns mit scharfer Munition auf Zielscheiben schießen, die allesamt die Form männlicher Soldaten haben…“ „Ja, aber ich muss doch…“ „Sie müssen gar nichts, Unteroffizier Hartmann. Warum standen da keine Pappkamerad:Innen? Die Frauen in Ihrem Zug fühlten sich weder ernstgenommen, noch wertgeschätzt. Und wie kommen Sie überhaupt darauf, Soldat:Innen mit scharfer Munition schießen zu lassen? Wollen Sie die jungen Leute zum Töten ausbilden, ja? Ist es das, was Sie wollen?“ Der Ton ist schärfer geworden. „Eh, ja, genau das will ich, ich meine, wir sind hier doch…“, antwortet Unteroffizier Hartmann, blinzelt aber nervös und wirkt sehr unsicher. „Wirkt auf Nachfrage sehr unsicher“, wird sich Gudula-Hansen später auf die Akte notieren.
„NEIN, das sollten Sie NICHT wollen!“, fährt ihn Gudula-Hansen an, „Ihren Kasernenhofton können Sie bei sich zu Hause benutzen, hier sind wir im Öffentlichen Dienst!“ Unteroffizier Hartmann wirkt verzweifelt: „Aber ich habe doch nur, die Männer sollen…“, „Die Männer, Frauen und Diversen bitte“, unterbricht Major Weich, „…die M…enschen sollen sich doch im Ernstfall verteidigen können?“, wendet der Unteroffizier ein. „Ach – und da fällt Ihnen nichts Besseres ein, als sie an Schusswaffen auszubilden, oder was?“, fasst Gudula-Hansen scharf nach. „Eh, nein, doch, ich meine…“, Unteroffizier Hartmanns Widerstand ist zerniert. Gudula-Hansen lässt nicht locker: „4.4.2018, Jäger Hartmann liket einen Beitrag der sogenannten „Achse des Guten“ auf Facebook, das Gleiche nochmal am 03.07.2021. Zugriff vom Dienstcomputer auf einen Artikel auf Politticker am 7.9.21 – in allen Artikeln äußert sich der Autor spöttisch und abwertend über unsere Firma! Sagen Sie, Unteroffizier Hartmann – haben Sie sie noch alle?“ „Ich, also… Klaus…“, der Unteroffizier ist am Boden zerstört. „Für Sie immer noch Major Weich“, blafft ihn der Angesprochene an. Gudula-Hansen fasst sein Gegenüber scharf ins Auge: „Was ist denn das da für ein Emblem auf Ihrer Montur, Herr Unteroffizier?“ Hartmann schaut verdattert und weiß augenscheinlich nicht, wovon die Rede ist: „Welches Emblem?“ „Na, das da…“, Gudula-Hansen tippt sich auf den Oberarm. „Das da? Das Schwarz-Rot-Goldene? Das ist doch unsere Fahn…“ „NEIN, das ist NICHT unsere Fahne. Unsere Fahne ist der Regenbogen, HERR UNTEROFFIZIER!“, schreit Gudula-Hansen, „…das da ist das Symbol eines Staates, mit dessen Tragen Sie alle anderen Nationalitäten ausgrenzen! Was glauben Sie eigentlich, wo Sie hier sind?“ „Bei der Bundeswehr?“, antwortet Hartmann unsicher. „Um Himmels Willen, sagen Sie das Wort doch nicht, da steckt ja bereits eine Mikroaggression drin“, fleht Major Weich. Gudula-Hansen ist in seinem Element und rast: „…und wie laufen Sie überhaupt herum, Herr Unteroffizier? In voller Uniform! Und das im Dienst! Ohne Schminke! Glauben Sie, dass der Krieg gleich ausbricht, Herr Unteroffizier?“ Hartmann ist vernichtet: „Ja, aber, nein, aber, wir sind doch hier…“ „Sagen Sie in Gottes Namen am besten gar nichts mehr, Hartmann! Sie reiten sich immer tiefer rein!“, ruft Major Weich und streckt flehentlich seine Arme so ruckartig nach oben, dass seine Federboa ein paar Teile verliert.
„Warum haben Sie sich eigentlich zum Dienst gemeldet?“, will Gudula-Hansen mit hämischem Grinsen wissen. „…weil ich meinem Land dienen und es verteidigen will…“, antwortet Unteroffizier Hartmann und dann ist Stille im Raum. Das Ticken der Dienstuhr über der Türe dröhnt wie die Schüsse eines alten G3-Gewehrs auf Dauerfeuer. Von draußen sind durch das geschlossene Fenster leise Kommandos zu hören: „Kompanieee, bitte weggetreten, wenn das für Euch OKEE ist.“
„Stehen Sie bitte auf, Unteroffizier Hartmann.“, sagt Major Weich und erhebt sich. „Stehen Sie bitte still“, kommandiert er und Unteroffizier Hartmann rührt sich nicht. Der Major geht auf ihn zu, knöpft ihm vorsichtig die Schulterklappen auf und nimmt die Rangabzeichen ab. „Die brauchen Sie nicht mehr. Ich bin enttäuscht. Sehr enttäuscht, Jäger Hartmann“, sagt er tonlos, während sich seine Augen mit Tränen füllen, „Bitte treten Sie nach hinten weg und packen Sie Ihre persönlichen Sachen. Sie sind entlassen. Halten Sie sich auf Ihrer Stube bereit.“ Gudula-Hansen klappt seine Akte zu, nickt in Richtung des Majors und verlässt den Raum. In der Ferne bellt ein Pudel. Wieder einen sexistischen und faschistischen Militaristen-Nazi zur Strecke gebracht.