Stellen Sie sich vor, Sie würden eine neue Mittelalter-Serie über Wikinger sehen, die einer christlichen Siedlung helfen und am Tag darauf würde das auf Facebook in der F.A.Z. besprochen. Und Sie würden unter den Artikel schreiben: „Ich habe die erste Folge gesehen – die Aktionen selbst waren gut – aber die barbarisch-großkotzige Trampelei der Protagonisten… Ich habe jeden Moment darauf gewartet, dass der alte Abt den guten Zweihänder aus dem Schrank holt und dem Steuermann im dreckigen Fellkettenhemd ein Loch in den Brustkorb bohrt… Was hatte der Mann für eine Selbstbeherrschung.“
Wären dann alle Wikinger oder heutigen Schweden diskriminiert? Oder hätten Sie sich lediglich über die Dramaturgie lustig gemacht?
Oder Sie sehen eine neue Star-Trek-Serie. Vulkanier retten ein Klingonenschiff. Und Sie schreiben: „Ich habe die erste Folge gesehen – die Aktionen selbst waren gut – aber die leidenschaftslos-rationale Logik der Protagonisten… Ich habe jeden Moment darauf gewartet, dass der Kapitän des klingonischen Schiffs sein Bathleth aus der Truhe holt und aus dem vulkanischen Ingenieur in seinem hautengen Strampelanzug Kleingeschnetzeltes a lá Chronos macht… Was hatte der Mann für eine Selbstbeherrschung.“
Hassrede gegen Vulkanier? Müsste oder sollte ich mich da bei allen Freunden der Logik entschuldigen?
Jetzt stellen Sie sich folgende Serie vor: Eine Gruppe von frei geouteten Homosexuellen tourt durch die USA und berät diverse Leute – unter anderem die Ehefrau eines waschechten Redneck-Farmers - zu den Themen Styling, Lifestyle und Inneneinrichtung. Und nun schreiben Sie folgende Anmerkung: „Ich habe die erste Folge gesehen – die Styling-Tipps selbst waren gut – aber die kreischig-schwuchtelige Stöckelei der Protagonisten… Ich habe jeden Moment darauf gewartet, dass der alte Farmer die gute Doppelläufige aus dem Schrank holt und dem Friseur im rosa Unterhemdchen ein Loch in den Brustkorb stanzt… Was hatte der Mann für eine Selbstbeherrschung.“ Dahinter ein Lach-Smiley.
Das ist für Facebook Hassrede und wird mit einer Woche Sperre belegt. Und ich frage mich, ob das an „rosa Unterhemdchen“ oder an der von den Produzenten wirklich dramatisch überkandidelten und klischeehaften „kreischig-schwuchtelige Stöckelei der Protagonisten“ gelegen hat. Oder an dem ebenfalls klischeehaft gezeichneten „American Dumpf-Farmer“, der am ersten Date mit seiner Holden zur Jagd gepirscht ist und die gerade Schusswaffen auf Funktion testen, als der Bus mit der lustig regenbogenfarbenen Bubenschar eintrifft. Und der gemeinsam mit seinem „Wife“ sogar Dessous mit Camouflage-Muster trägt (also Sie – nicht Er. Seine Unterhosen wurden nicht gezeigt).
Vielleicht liegt das aber auch an mir, weil mir das alles viel zu klischeehaft überzeichnet war und ich diese Klischees auch noch beschrieben habe. Das wiederum hat die Beschwerde eines Regenbogenfahnenschwenkers hervorgerufen und wurde dann eben von Facebook mit einer Sanktion geahndet.
Welche Lehre aber soll ich daraus ziehen? Sind Sendungen mit überkandidelt gezeichneten Randgruppen nun nicht mehr zu kritisieren? Darf man – oder ich – sich nicht über diese Überzeichnung lustig machen? Wäre ich auch gesperrt worden, wenn in der Serie eine Gruppe von älteren Gentlemen Antifa-Grünköpfen Tipps zu „Stil, Bewegen in der Gesellschaft, Benutzung von Messer und Gabel“ und „Umstyling der Wohnung zu gediegenem Wohnkomfort“ gegeben hätte? Und diese Gentlemen ständig cognacglasschwenkend in Golfplatz-Outfit oder englischer Herrenmode mit italienischen Schuhen durch die Gegend schlendern würden? Ich glaube nicht.
Offen gesagt, sehe ich hier nicht einmal einen Unterschied zwischen „überkandidelten Homosexuellen“ und „alten weißen Männern“. Beide können sich weder ihre sexuelle Orientierung, noch ihr Alter aussuchen. Was sie sich aussuchen können, ist ihr Verhalten. Und wer Verhalten kritisiert oder belächelt, macht sich meiner Meinung nach nicht über Randgruppen (ja, auch alte weiße Männer mit Bildung und Geschmack sind eine Randgruppe. Es gibt nur wenige davon.) lustig, sondern über das überzeichnete „Behaviour“.
Eine derartige Kritik wäre mir auch bei Guido Maria Kretschmer nicht eingefallen. Schlicht, weil der Mann durch Humor und Fachkenntnis und nicht durch das überdrehte Auftreten eines Streifenhörnchens auf Kokain auffällt. Aber der will ja auch keine „Botschaft senden“, sondern schlicht einen guten Job machen.
Im Gegensatz zu den Machern der obigen Serie. Und zu Facebook.
Okay, Sie haben es ja nicht anders gewollt. Ab jetzt kriegen Sie lecker Newsletter von mir. Falls Sie das lieber doch nicht wollen - kurze Email genügt.
Verdammt. Irgendetwas ging schief. Daran ist nr die AfD schuld. Bitte nochmal probieren!