Es war der Freitagabend vor Pfingsten, kurz bevor Uthred Bebanburg stürmen wollte, als sich mein treuer Phillips-Fernseher mit einem traurigen leisen *zirp* in den Himmel der Elektrogeräte verabschiedete und das Bild in sich zusammenfaltete. Eine kleine Weile noch hörte ich Gebrüll und Schlachtenlärm, aber ohne Blut und Gedärme zu sehen, macht so ein Hörspiel einer mittelalterlichen Schlacht nicht wirklich richtig Spaß.
Gut, der Philipps hatte seinen Dienst getan und durchaus das Recht, kaputt zu gehen und so fand ich mich am nächsten Morgen in der Elektrogerätefeinkostabteilung einer bekannten Medienkette wieder und betrachtete auf acht Fernsehern Karl Lauterbach, was ansich schon schlimm genug war.
Es dauerte auch nicht lange und ein etwas untersetzter Berater mit einem flaumigen Oberlippenbärtchen, der ausweislich seines Etiketts auf dem Kittel „Soest“ hieß , näherte sich mir in eindeutiger Absicht. „Guten Tag, kann man Ihnen helfen?“, fragte er freundlich. „Ich hoffe es“, gab ich zurück, „ich hätte gerne einen Swimmingpool“. Herr Soest kicherte und deutete auf einen kleinen Fernseher, in dem ein Kaminfeuer prasselte. „Ich kann auf eine Schwimmbadwerbung umschalten, wenn Sie möchten“, bot er grinsend an.
Okay, wir teilten den gleichen Humor. „Tatsächlich suche ich natürlich einen Fernseher.“, erläuterte ich. „Und an was haben Sie da genau gedacht?“, begann Herr Soest die Bedarfsermittlung. „Ich wollte einen, der mir so Bilder zeigt, Filme und so. Darf ruhig ein bisschen größer sein, wir haben Platz auf dem Lowboard“, konkretisierte ich, nicht ganz ohne Stolz, mein Anliegen.
Herr Soest legte die Stirne ein klein wenig in Falten: „ Wir haben hier jede Menge 68-Zöller, die kriegen Sie auch Curved mit Bild im Bild, Ton in Ton, in DD, HD, Farbe, Plasmaoberfläche mit hintergrundgebeiztem Akazienholz mit Dreh-Kipp-Funktion und Surround-Anschluss für zwei Warp-Triebwerke und Tarnfunktion, es kommt eben darauf an, was Sie damit machen wollen!“
Spontan fiel mir „Pornos gucken“ ein, aber das wollte ich Herrn Soest nicht auf die fleischige Nase binden, obwohl es mir schien, dass er mich auch hierzu gut beraten könnte. „Ich will einen Media-Receiver, einen Bluetooth-Player, mein Tablet, eine X-Box und - glauben Sie es oder nicht - einen antiken Videorecorder mit Scart-Anschluss dranhängen“, erklärte ich. „Und Telefaxe? Wollen Sie auch Telefaxe empfangen?“, fragte Herr Soest. „Echt? Geht das?“, fragte ich zurück. Herr Soest lachte. Natürlich nicht, war ein Spaß“, klärte er mich auf und wir beide lachten. Er lauter als ich.
Herr Soest berührte mich leicht am rechten Ellbogen und wies mit der rechten Hand auf ein gar prächtig Exemplar in der Größe des Grünewald-Altars am Ende des Ganges. „Das hier ist unser Jupiter 2020“ stellte er mit einem leichten Anflug von Verkäuferstolz einen Fernseher vor, der selbst für die Brücke der Enterprise zu groß gewesen wäre und jede Pore eines Klingonen hochauflösend auf meinen Kommandosessel geholt hätte. „Kann er 3-D?, fragte ich beeindruckt. Herr Soest sah mich an wie eine Mutter ihr zurückgebliebenes Kind: „Nicht nur 3-D, auch 4-D. Dieser Fernseher hat einen Geruchssensor. Sie füllen drei Grundgerüche oben in die Ampullen und daraus mischt der Jupiter dann die Gerüche passend zur Sendung. Warten Sie mal...“ Und dann drückte er auf der Fernbedingung die „Smell“-Taste und sofort roch ich Leder, Old Spice und Altmännerschweiß. „Was ist das für ein Geruch?“ fragte ich entsetzt. „Karl Lauterbach bei Maischberger“, sagte Herr Soest trocken. „Boah, das ist eklig“, bemerkte ich und Herr Soest schaltete sofort. Und zwar um. Auf eine Kochshow. Und mir stieg der Duft eines Steaks mit Rosmarin und Prinzessinenkartoffeln in die Nase. „Besser?“, fragte er grinsend
Ja. Sehr viel besser! „Sehr viel besser“, bestätigte ich ihn und sandte mit dem Satz: „Was soll dieses Spitzenprodukt südkoreanischer Hochtechnologie denn kosten?“ ein eindeutiges Kaufsignal.
„Oh, den haben wir im Sonderangebot“, sagte Herr Soest und nannte mir den Preis eines Autos der sehr gehobenen Mittelklasse. Ich war hin und her gerissen. Autofahren oder Fernsehen...
„Kann er Netflix?“, wollte ich wissen. Herr Soest nickte: „Kann er.“ „Gut, dann gehen Sie mal bitte ins Menue und suchen Sie die Uthred-Saga, Folge „Uthred erobert Bebanburg“, forderte ich ihn auf. Herr Soest drückte ein paar Knöpfe und wir waren mitten in der Schlacht. Es wurde gebrüllt und geschrien, es roch nach Blut, Schweiß, Gedärm, Rauch, Scheisse und Erbrochenem und ich verspürte sofort Brechreiz. „Na? Ganz schön realistisch, gell?“, grinste Herr Soest.
Oh ja. Das war es. Sehr hübsch. Ich schluckte meinen eigenen flauen Mageninhalt tapfer hinunter und entschied mich spontan für das kleine, aber feine Modell Venus. Das roch zwar nicht, legte aber über alle Bilder einen Weichfilter und kostete auch nur den Gegenwert eines Elektrofahrrads.
Dafür aber sieht Karl Lauterbach jetzt sexy aus und - was soll ich sagen? - ich habe mich dank Venus in Renate Künast verliebt, das scharfe unscharfe Teil.
Danke Herr Soest, danke Media-Kette und Danke südkoreanische Fernsehbauer. Mein Leben hat wieder einen Sinn. Und einen Fernseher.