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Gegenstand und Widerstand

Thilo Schneider • Mai 12, 2020

Alternative zur Alternative? 

Bild von ErikaWittlieb auf Pixabay
Der 5. Januar 1919 war ein Sonntag und während in Berlin der Spartakusaufstand losbrach, wurden in München die Humpen gehoben. Der Schriftsteller Karl Harrer, Mitglied des geheimen Geheimbunds „Thule-Gesellschaft“ und Anton Drexler gründeten an diesem Tag die „Deutsche Arbeiterpartei“, aus der ein Jahr später die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ wurde.  
Die Anfangszeit der DAP war turbulent. Mitglieder einer „arischen Geheimgesellschaft“, Esoteriker, Okkultisten, Scheinwissenschaftler, offene Antisemiten und echte Spinner, Kriegsverlierer, Bohemians und Tagediebe fanden sich hier zu einem „gärigen Haufen“ zusammen und warteten auf einen Parteiführer, der sie einen, läutern und nach vorne bringen würde. Weder Harrer noch Drexler waren diese Führer, das musste dann schon ein „Ausländer“ erledigen. 

Eine ähnlich dampfende Gemengelage aus Erwachten und Erweckten, „Systemkritischen“, Youtube-Studenten, Scheinwissenschaftlern, Verirrten und Verwirrten findet sich heute bei der neuen (noch Pseudo-) Partei „Widerstand2020“. Ich hatte das „Glück“, eine Einladung zu einer entsprechenden Facebookgruppe zu bekommen. Angenehm dabei: Wer eine Einladung hat, darf sich 30 Tage lang umsehen, ohne der Gruppe – oder besser: Gruppierung – beitreten zu müssen. Und wenn sich eine Vielleicht-Partei konstituiert, dann ist es definitiv interessant, aus welcher Klientel und welcher Basis heraus sie das tut. 

„Widerstand2020“ versteht sich laut der Homepage als „Mitmach-Partei“, als „etwas andere Partei“. Und „etwas anders“ sind sie, das ist wohl wahr. „Anders denken ist kein Fehler, sondern Freiheit!“, ruft mir die Webseite zu. Das stimmt. Außer, das „anders denken“ hat pathologische Ursachen, dann nennt man es Schizophrenie oder Paranoia. Die Recken der Thule-Gesellschaft wussten um die „jüdische Weltverschwörung“, bei der „etwas anderen Partei“ weiß man um die Nachteile der Demokratie, denn „Unser System ist leider so aufgebaut, dass wir nur als Partei mit einer großen Anzahl an Mitgliedern wirklich an Entscheidungen mitwirken können. So ist das leider in Deutschland.“ So schreibt es die Parteivorständin und diesmal nicht inoffizielle Mitarbeiterin Victoria. Ja schade. „Mach was dran!“, würde meine Oma, die Umweltsau, empfehlen. 

Im Gegensatz zur DAP hat der politische Shootingstar „Widerstand2020“ drei Gründer: 

Ralf Ludwig, Rechtsanwalt, über dessen Seite www.klagepaten.eu mündige Bürger ihr Recht auf weitere Mündigkeit ohne Mundschutz einklagen können und der einen Youtube-Kanal unterhält, in dem er halbstündig über juristische Feinheiten und Gemeinheiten informiert. Ich habe mir einen Vortrag angetan, der sehr sehr langweilig war, das ist nur etwas für hartgesottene Juristen. Ich schaue da lieber Wandfarbe beim Trocknen zu oder lese die Süddeutsche.

Dr. Bodo Schiffmann ist von Beruf ironischerweise „Leiter der Schwindelambulanz“, was ich, wäre ich bösartig, als anderen Ausdruck für „Pressesprecher“ interpretieren würde. Bin ich aber nicht. Dr. Schiffmann ist Buchautor und Dr. Schiffmann bespielt ebenfalls Youtube, dort äußert er seine „Privatmeinung“ zu den „übertriebenen Covid19“-Maßnahmen und der „Panikmache der Politiker“. Von Dr. Bodo Schiffmann stammt der legendäre Satz: „Wenn wir alle Einwohner Afrikas in ein Bundesland von uns setzen würden, dann hätten wir anschließend noch Platz.“ Da wäre ich gespannt, wie wir 1,3 Milliarden Afrikaner in Mecklenburg-Vorpommern ansiedeln… Vielleicht meint er aber nur Südafrikaner?

Egal: Man muss eben große Ziele haben, damit die kleinen Ziele wahr werden. Herr Dr. Schiffmann ist auf jedem Fall „heißem Shice“ auf der Spur: Bill Gates hat die amerikanische Regierung gekauft, um mittels Impfprogrammen irgendwie Weltherrscher zu werden. Oder so. Und in Italien gibt es gar keine „Corona-Krise“. Die fahren da sozusagen nur zum Spaß mit Militär-LKW herum. 

Die Dritte im Gründungsbunde ist Victoria Hamm, als Berufsbezeichnung ist hier, sozusagen als „Victorias Secret“ (sorry, ich konnte es mir nicht verbeißen, es tut mir leid!), „nur ein Mensch“ angegeben. Tatsächlich hat Victoria Hamm Psychologie wenigstens angefangen zu studieren und wohl auch einen Abschluss in Kinderpsychologie nach Fernstudium gemacht. Wo sie die Ausbildung zu nur einem Menschen gemacht hat, weiß ich nicht.

Auf ihrer Facebookseite wirkt sie sehr unbedarft, aber dass das einer politischen Karriere nicht im Weg steht, sieht man ja bei den Grünenden. Und ob ich nun Chemtrails oder Tsunamis in Grafenrheinfeld für das größere Übel halte – ja mei...

Den Gründern stehen angeblich 100.000 Parteimitglieder gegenüber, damit wäre „Widerstand 2020“ bereits jetzt im Club der „Big Five“ der deutschen Parteien. Wenn und sofern auch Hühner wählen dürfen, da ein AfD-Abgeordneter seinen Lieblingshahn als Mitglied angemeldet hat. 

Es liegt in der Natur der Sache, dass neue Parteien immer kritisch beäugt werden und gerade „Widerstand2020“ liegt ganz hart an AfD-Positionen an, wenn man von den ganzen Afrikanern Schiffmanns absieht, was diese wiederum panisch werden lässt. Eine Streuung der rechten Wähler-Stimmen wäre für die sich ebenfalls im Umbruch befindliche AfD derzeit eine Katastrophe. Zumal „Widerstand2020“ und AfD die gleiche Kernwählerschicht der Unzufriedenen und Verschwörungsfreunde bedienen. 

Ich finde das ja gut, dass jeder seine Meinung – und sei sie noch so… „originell“ – sagen darf. Wer sich auf den entsprechenden Seiten von „Widerstand2020“ umtut, findet dort exakt die von mir beschriebenen Stereotypen präsentiert. Die Bewegung ist da. Jetzt fehlt ihr nur noch ein charismatischer Führer. Moustafa Kashefi, übernehmen Sie. Sich. 

Nachtrag 8.5.2020: Nur einen Tag nach Erstellen dieses Artikels taucht Victoria Hamm als Gründerin auf der Homepage von "Widerstand2020" nicht mehr auf. Was ist passiert?

von Thilo Schneider 12 Jan., 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15 Juli, 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25 Juni, 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
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Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
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