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"Der Untergang" reloaded

Thilo Schneider • Juli 28, 2021

...Reenactment in Ahrweiler

Bild von Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay
„Kommt nicht auf eigene Faust in die Krisengebiete“ heißt es mittlerweile von einigen offiziellen Stellen. „Spendet lieber Geld“, heißt es zusätzlich. Gemischt wird das Ganze in den asozialen Netzwerken mit Häme und Spott (und einer Prise Hass) von Angehörigen der offiziellen Helfer wie DRK oder Feuerwehr. „Da glauben ein paar Bauern, sie könnten schneller und effektiver helfen als wir. Die haben keine Ahnung von Katastrophenschutz!“ 

Mich verblüfft und enttäuscht das, ehrlich gesagt, wenngleich ich es in Teilen verstehe. Die Zeit übermotivierter Hilfsfahrten sollten nach knapp einer Woche vorbei sein und die Rädchen sollten ineinandergreifen (Konjunktiv bemerkt?), andererseits bin ich sicher, dass die „erste Hilfe“ der Landwirte mit ihren schweren Geräten gut und wichtig war. Natürlich haben die in der größten Not nicht den weggebaggerten Müll fein säuberlich in Holz, Sperrmüll und Weißwaren getrennt. Es ging darum, Platz zu machen und Keller auszupumpen und vielleicht den ein- oder anderen noch zu retten. 

Ja – und all dies wäre Sache eines Krisenstabes gewesen und ist es noch, dies und die Schaffung einer Infrastruktur für die Helfer, wie Schlafplätze, Toiletten, Trinkwasser und Verpflegung. Und ebenfalls muss den Krisenstäben zugestanden werden, dass dies nicht mit einem Fingerschnippen passieren kann, sondern erst nach Sondierung der Lage und Analyse von Hilfs- und Risikopotentialen geschieht. Das ist nicht in 24 Stunden zu stemmen, erst recht nicht, wenn die offizielle Seite sich möglicherweise zuerst einmal Profis wie Militärs, Statiker, Kraftwerker und Logistiker zusammensuchen und nebenbei noch betroffen glotzende Politiker betreuen muss. 

Trotzdem und deswegen war es richtig und wichtig, dass vielen betroffenen Bürgern schnell und unbürokratisch durch „wilde Freiwillige“ geholfen wurde. Ich wäre mit vollgematschtem Keller auch froh um jede helfende Hand, die sich eine Schaufel schnappt und einfach loslegt und die Wege für Rettungskräfte freimacht, die auf den Weg sind. Auch, wenn die erste Maßnahme der Rettungskräfte die Übersendung eines Impfbusses ist. Ja, da käme ich mir mitten in den Trümmern meines Lebenswerkes auch verarscht vor (ich bitte um Entschuldigung – aber ein anderes Wort gibt es hier nicht!).  

Mittlerweile benutzt so ziemlich jeder den „Ground Zero“ der Flut, um auf den Trümmern sein eigenes politisches Süppchen zu kochen. Ganz spannend ist die „maskenbefreite Zone“, die sich der Querdenkerszene nahestehende Helfer ausgedacht haben. Ein „Oberst a.D.“ der Bundeswehr hat sich selbst in der eigens eingerichteten „Führer Kommandozentrale und Stabsgruppe“ in der Grundschule von Bad Neuenahr – Ahrweiler wieder in Dienst gestellt und gibt „Befehle“ an die freiwilligen Helfer heraus („wo verfügbar und zulässig sind Uniform/Feldanzug zu tragen“), stellt „Passierscheine“ aus und lässt ein einem Polizeiauto täuschend echt nachgeahmtes Fahrzeug mit der Aufschrift „Peace“ statt „Polizei“ durch die Gegend fahren und dabei seltsame Parolen plärren. Außerdem teilt der Führer a.D. ein Handgeld aus, „freundlicherweise vorab von einer Galionsfigur der ziemlich quer denkenden Szene zur Verfügung gestellt.“ Fehlt nur noch, dass der Herr Oberst anfängt, eigenes „Notgeld“ zu drucken. 

Mit anderen Worten: Hier probt die Querdenkerbewegung gemeinsam mit einigen Rechtsextremisten ihre eigene Version des „Untergang“ in der „Führerschule“. Bei aller „Liebe“– einem derartigen Treiben muss sofort ein Ende gesetzt werden. Das ist keine Hilfe mehr, sondern die Feldübung für einen Staatsstreich. Da mögen die derzeit bestimmenden Parteien und Politiker noch so unfähig und überfordert sein – so geht es keinesfalls. Hier werden die Anwohner von einem Haufen durchgeknallter Verschwörungspraktiker in Geiselhaft genommen. Die Zustände mögen schlimm und schrecklich sein – sie sind kein Abenteuerspielplatz für irgendwelche verwirrten Clowns, die meinen, Pseudostrukturen aufbauen zu müssen. 

Zumal die Polizei sowieso derzeit alle Hände voll damit zu tun hat, Kleinbusse mit – nennen wir sie freundlich – „kommerziellen Helfern“ abzuwehren, die gerne Läden und Wohnungen von allem „aufräumen“ möchten, was ein anderer irgendwo vielleicht brauchen und sogar bezahlen würde. Wie die sprichwörtlichen Schmeißfliegen versuchen diese Leichenfledderer, aus der Katastrophe finanziellen Profit zu schlagen. Ein Zusammentreffen zwischen der „Räum- und Kampfgruppe Ahrweiler“ und den ungebetenen „Fluterntehelfern“ dürfte spannend werden… 

Natürlich sehen es die offiziellen Stellen nicht gerne, wenn sich politische Randgruppen als „Kümmerer“ betätigen, konterkarieren sie doch die offiziellen Bemühungen um Ordnung im Chaos. Nur, wenn dem so ist – dann müssen diese offiziellen Stellen eben beweisen, dass sie es besser können und zuerst Traktoren und Trinkwasser schicken, bevor sie einen Impfbus auf die Flutopfer loslassen. Ich kann mich mittlerweile nicht mehr des Eindrucks erwehren, dass freiwilliges tatkräftiges Engagement von Hunderten von Privatleuten vor Ort deswegen nicht gerne gesehen wird, weil es quasi im Vorbeigehen die Prioritäten und Diskussionen im Land verschiebt. Während nämlich die „toxischen Cis-Menschen“ am Schlammschaufeln waren, war man sich beispielsweise in Frankfurt/Main nicht zu schade, einen sehr lustigen und sehr bunten und sehr pietätlosen CSD zu feiern, um „auf die Probleme von LGBTQ-Menschen aufmerksam zu machen“. Da haben wir auf einem Planeten zwei Welten. Die Einen verlieren Angehörige und Hab und Gut, die anderen werden „als Transmenschen beim Daten diskriminiert“. Da verwundert es nicht, dass sich ein selbst wieder in Dienst und Marsch gesetzter Oberst zu Höherem berufen fühlt und unter lautem Getöse „Machtergreifung“ spielt.

In einem alten Film mit dem Titel „Die Luftbrücke“ gab es einst ein schönes Zitat: „Wenn wir Care-Pakete verteilen, ist es Hilfe. Wenn wir draufschreiben, von wem sie kommen, Propaganda!“ Es wäre schön, es würden sich alle diesen Satz hinter die Ohren schreiben und einfach so helfen. Weil es wichtig ist.  

von Thilo Schneider 12 Jan., 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15 Juli, 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25 Juni, 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
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Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
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