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Der falsche Flüchtlinger

Thilo Schneider • Sept. 23, 2019

Nur die Absicht zählt...


Ulrike kenne ich ungefähr seit der fünften Klasse und sie war – wie soll ich es sagen – schon immer ein revolutionärer und freigeistiger, progressiver Mensch. Sie lief mit „Gegen NATO“- und „Peace“-Buttons auf der Jeansjacke herum, hörte „People“ und Jethro Tull, trug keine BH, dafür aber die Haare wild, war also schon als Jugendliche immer mehr so der „Revolution now“-Typ. Sie war auf jeder Demo zu finden, solange es nur gegen die „Bullen“ und „die Regierung“ ging und sogar einmal Stadtratskandidatin der Grünen. Folgerichtig studierte sie später Sozialpädagogik und nur ein gnädiges Schicksal bewahrte die Welt davor, dass sie auch noch „auf Lehramt“ studiert. Später hatte sie dann zwei Kinder von zwei verschiedenen Männern, die Musiker und ebensolche Freigeister wie sie waren, weswegen die Männer verschwanden und die Kinder blieben. Sie hat das alles ganz gut gemeistert und verdient im öffentlichen Dienst gar nicht so schlecht. Ich mag sie. Sie ist geradeheraus, ehrlich, manchmal etwas verpeilt, aber immer freundlich. Und, aber das weiß ich erst seit ein paar Tagen, mittlerweile auch etwas wunderlich. Wenn wir uns zufällig in der Stadt begegnen, dann trinken wir im „Fairy Trade“ auch mal schön Kaffee. 

Und da habe ich sie neulich auch wieder getroffen. Sie saß da, wie immer etwas zerzaust und wie immer mehr der Typ „schlampiger Frauenbefreiungslook“ denn „ältere Dame von Welt“. Neben ihr saß ein junger, mittelgroßer, dunkelhäutiger Mann mit zentralafrikanischem Teint. Um es vorsichtig auszudrücken. „Halloho“, begrüßte sie mich freudig, obwohl sie mich kennt. „Ja hallo“, grüßte ich zurück und sie rückte einladend einen der unbesetzten beiden Stühle an ihrem Tisch zu mir hin. Da ich ein paar Minuten Zeit hatte und die Sonne noch warm, aber nicht mehr heiß war, nahm ich die Einladung gerne an. 

„Das da ist David“, sagte sie stolz und legte ihrem Begleiter eine Hand auf den Unterarm. „Er ist Flüchtling aus Uganda und ich habe ihn bei mir aufgenommen. Er wohnt schon vierzehn Tage bei mir. Ist besser als im Heim, gell David?“ Und bevor David etwas antworten konnte, redete Ursula weiter: „Er hat eine ziemlich schwere und traumatische Flucht hinter sich und ist noch nicht anerkannt, aber ich konnte ihn ja nicht einfach im Heim lassen. Das sind furchtbare Zustände da. Und da habe ich mir gesagt, komm Ursula, tu ein gutes Werk und nimm ihn mit nach Hause. Die Mädels sind jetzt eh aus dem Haus und jetzt habe ich ja Platz.“ Ich war doch etwas erstaunt. „Du hast ihn einfach so mitgenommen? Das ist ziemlich nobel von Dir“, stellte ich fest. Dass ich das auch ziemlich leichtsinnig fand, verschwieg ich. Und sie hatte ja offensichtlich Spaß. David hob an, etwas zu sagen, aber Ursula gab ihm schnell einen Schmatz auf die schwarze Wange. „Er spricht noch nicht so gut Deutsch, eigentlich gar nicht. Englisch geht gerade so, aber er ist auf seiner Flucht ja auch mehrmals dem Tod von der Schippe gesprungen, gell David?“ David öffnete wieder den Mund, aber wieder war Ursula schneller: „Er hat natürlich noch seine Sippe und seine Familie in Uganda, aber die holen wir nach, sobald er hier seine Anerkennung hat. Das ist gar nicht so einfach, weil er ja nachweisen muss, dass er verfolgt wurde und außerdem hat er ja auch keine berufliche Qualifikation in unserem Sinne, da gibt es ja nichts in Uganda und außerdem…“ 
Und außerdem schaltete ich ob des Redeschwalls ab und rührte in meinem mittlerweile eingetroffenen Kaffee und beobachtete die Linien und Kreise, die die Milch bildete. Ich stellte mir David im Lendenschurz in Uganda vor, während Ursula die Hintergrundbeschallung lieferte und dann sah ich in Davids Augen.
Augen, in denen sich Angst und Resignation zu spiegeln schienen. Er musste ein wirklich hartes Schicksal hinter sich haben. „Du, ich muss mich kurz frisch machen“, tauchte Ursula aus dem akustischen Hintergrund wieder auf, „ich bin gleich wieder da. Wenn Du mit David redest, rede langsam auf Englisch, er versteht Dich ganz gut“. Und dann stand sie auf und ging. Und ich sah David an und sagte langsam und betont: „Nice to meet you. Do you like Germany?“ 

David sah zurück und lächelte. „Ja, mir gefällt es hier sehr gut, schöner als in Offenbach“, sagte er in akzentfreiem Deutsch. Soweit das einem Hessen möglich ist. Ich war verblüfft. „Hä? Ich dachte, Du kommst aus Uganda!“ David grinste. „Offiziell tue ich das“, sagte er leise, „stimmt aber nicht!“ „Ja, aber was, aber wie…“, ich war total konsterniert. „Ach“, erklärte David, „wir haben uns vor zwei Wochen hier kennengelernt, und da mich meine Freundin ´rausgeschmissen hat, habe ich einen auf „bedürftiger Flüchtling“ gemacht. Seitdem wohne ich bei Ihr. Ihr gefällt es und mir derzeit auch.“ Ich spürte eine Mischung aus Zorn, Verachtung und Bewunderung in mir aufsteigen. „Findest Du das nicht ziemlich kriminell? Jemandem etwas vorzulügen, was gar nicht stimmt?“, fragte ich ärgerlich. 

David grinste wie ein Kühlergrill. „Nein, ich habe ja schon versucht, Ihr das beizubringen, dass ich mir einen Spaß erlaubt habe, aber sie will nicht hören…“, gab er zurück. „Wie? Sie will nicht hören?“ „Ja, ich habe Ihr gesagt, dass alles nur ein Joke ist, aber irgendwie scheint ihr der Gedanke zu gefallen, einem Flüchtling direkt zu helfen und seitdem sie weiß, dass ich gar kein Ugander bin, findet sie das sogar noch besser. Zuhause (genau so sagte er es) reden wir ganz normal Deutsch miteinander und in der Öffentlichkeit bin ich eben ihr Flüchtl… very very well…“, wechselte er ansatzlos die Sprache, weil Ursula wiederkam.

Sie lächelte. David lächelte. Ich lächelte. „Du weißt, dass er gar kein Ugander ist?“, fragte ich sie. Sie zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen: „David, Du Plaudertasche. Wir hatten das ausgemacht, was wir in der Öffentlichkeit sagen!“ David strahlte sie entwaffnend an und Ursula musste lachen. „Für mich ist er Ugander“, sagte sie zärtlich und streichelte Davids linke Hand, „und nur das zählt.“ „Für wen?“, wollte ich wissen. „Für mich und alle, die gerne helfen. So funktioniert das nun einmal“, führte sie aus, „es geht schließlich darum, mit gutem Beispiel voranzugehen und zu demonstrieren: Ja, auch Du kannst direkt etwas tun!“ „Das ist Betrug“, gab ich entsetzt zurück, „Du hilfst doch gar nicht, Du simulierst nur Hilfe!“ Ulrike sah mich mit dem Blick einer Lehrerin auf das dümmste Kind der Klasse an: „Wahrheit ist, was wir glauben wollen“, sagte sie. „Der Zweck heiligt die Mittel“, sagte sie auch. Dann standen sie auf und gingen. Ich mutmaße, um einen Asylantrag für David zu stellen. Einfach so. Wegen des guten Beispiels. Leider vergaßen sie, die Rechnung zu bezahlen. Das habe ich dann übernommen. Der Wirt kann ja nichts dazu. 

von Thilo Schneider 12 Jan., 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15 Juli, 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25 Juni, 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
Polizeikontrolle, mit Spielzeugautos nachgestellt
von Thilo Schneider 30 Mai, 2023
Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
Fallschirmjäger beim Sammeln
10 Dez., 2022
Wenn man morgens um 8 ohne Knoppers einen Staatsstreich vereitelt
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