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Schlecht gealtert

Thilo Schneider • Dez. 24, 2021

2019er Festplattenfund

Myriam auf Pixabay
Irgendwo mal 2019 geschrieben - und blöderweise immer noch aktuell...

Beim Schreiben dieser hübschen kleinen Wochenendkolumne komme ich mir immer mehr vor wie mein Oppa, der früher immer so nett vom Kriesch und vom Russlandfeldzug erzählt hat und dass die Nachkriegszeit hart, wirklich hart war und trotzdem alle irgendwie so auch zufrieden waren, sofern sie es „mittm Bollerwagen übers Haff“ geschafft und nicht vorher einer russischen Panzerspitze in die Hände gefallen waren.

Ich habe es gut. Ich kann nur vom Frieden erzählen. Von einem autofreien Sonntag während der Ölkrise, von Terroristenfahndungsplakaten, auf denen gelegentlich Gesichter liebevoll von Post- oder Polizeibeamten durchgestrichen wurden, wenn sie mal wieder einen der linksradikalen Pfosten geschnappt hatten, von jeder Menge Kindern auf der Straße, von lustigen Fernsehbildern, wenn sie in Ostberlin mal wieder alle begeistert hinter Honecker-Bildchen hergelaufen sind und dabei Winkelemente geschwenkt hatten, von Polizisten, die Sitzblockaden gegen Startbahnen nicht durch Zulabern der Antagonisten aufgelöst haben, kurz, von einer Zeit, in der es nur zweieinhalb Fernsehprogramme gab und die Fernbedienung noch biologisch mit dem Satz „Schatz, schalt mal um“ funktionierte. Eine im Großen und Ganzen heile Zeit. Wenn wir nicht gerade einer russischen Panzerspitze in die Hände fielen, weil die sauer wegen des Nato-Doppelbeschlusses waren. Sicher gab es auch da die Paniker mit ihren Oster- und Friedensmärschen, als ob das je irgendeinen Befehlshaber oder Diktatoren interessiert hätte, was im Feindesland im Geräusch herumgeistert, aber im Grunde wurden die eher bemitleidet als ernst genommen. Außerdem rochen die immer ein bisschen komisch. So süßlich...

Das ist heute alles anders: Eine Panik, eine Headline jagt die nächste, bei Hunderten von Fernsehprogrammen halten Tausende Versager und Möchtegerns ihre Blitzbirne in die Kamera und wenn nichts geht – nackig machen geht immer. Da werden grauenhaft dumme Frauen getauscht und hohlköpfige Fitness-Ischen allerlei Geschlechts präsentieren ihre Tattoos des Grauens beim Nacktdate mit den lustigsten Arztfehlern plastischer Chirurgen. Da rennen Zwanzig plus mehr Prozent panischer Bürger im Kreis um die Siegessäule, weil das Klima nächste Woche kaputt ist und dazwischen gibt es Werbung für Halal-Gummibärchen und Nike-Hijabs oder Adidas-Burkinis. Links fällt einer vor Entsetzen um, weil ihn niemand als Einhorn ernst nehmen will, rechts fällt auch einer um, weil seine deutsche Pizzeria einer deutschen Dönerbude gewichen ist und wer sogar für solchen Kokolores zu blöd ist, der bastelt sich eine Helmkamera an die Eselsmütze und versucht, im Alleingang den Dritten Weltkrieg auszulösen. Oder wenigstens die 100.00er Marke auf Twitch, Instagram und Youtube zu knacken, weil sonst von seiner bloßen Existenz niemand Kenntnis nimmt. Was früher in den Sanatorien sicherheitsverwahrt wurde, fällt heute semi- bis tatsächlich professionell bewaffnet durch die Gegend und nietet andere Leute im Namen seines Gottes, seines Volkes, des Gesetzes oder der Flüsterstimmen in seinem Kopf um. Jeder ist ein Star, jeder ist ein Held, der eine rettet Deutschland, der andere das Klima, der nächste „Menschen aus Seenot“. Oder Tiere davor, gegessen zu werden. Sie sind ja alle so gut und edel und haben nur die besten Absichten. Und Ansichten. Derweil bleibt die Arbeit liegen, die Infrastruktur vergammelt und die Wirtschaft geht den Bach hinunter. Gut, muss man verstehen, ein ganzes Volk ist depressiv und versucht, sich mit AfD-Forte oder Grünkohl zu kurieren. Und immer öfter habe ich das Gefühl, ganz alleine unter 80 Millionen Dorftrotteln zu leben. Womit ich den Dörfern wirklich Unrecht tue, denn da funktioniert das Zusammenleben noch leidlich und wenn mal auf der Kerb oder der Kirmes hinter dem Zelt ein Knäuel gebildet wird, dann ist das am nächsten Morgen vergessen. Weil sie eh alle besoffen waren und sich nicht mehr erinnern können.

Allerdings hat irgendeiner heute immer eine Handy-Kamera am Start und filmt alles ganz genau, damit später die Polizei sehen kann, wer nicht eingegriffen, sondern gefilmt hat. Passieren wird trotzdem nicht viel, man kann durchaus heute mit einem Messer vor einer Synagoge aufgegriffen werden und kommt dennoch mit einer Ermahnung davon. Einen LKW absichtlich in Leute zu steuern, gilt als „Vorfall“, das Gleiche unabsichtlich mit einem SUV kann durchaus zum Terroranschlag hochgejazzt werden. Ja, wir haben sogar eine Regierung, die es tatsächlich schafft, Proteste gegen die eigene Politik als Zustimmung zu werten. Als würde mir ein betrogener Kunde ans Schienbein treten und ich würde sagen: „Ja, Sie haben vollkommen recht, ich arbeite dran, Sie das nächste Mal besser über den Tisch zu ziehen“. Eine Regierung, die Reibungshitze als Nestwärme verkauft und eine Opposition, die zwar auch kein klares Konzept hat, aber auf jeden Fall besser konzeptionslos als die Regierung ist.

Und zwischen Tatort, FFF-Demo und „Hart, aber dämlich“ wird die Freiheit abgeschafft. Immer nur so ein bisschen. In homöopathischen Dosen. So, dass es immer nur einer Gruppe kurz wehtut. Den Rauchern. Den Diesel-Fahrern. Den Ferienfliegern. Den Öltankbesitzern. Den Cheerleadern. Immer nur ein bisschen. Und immer mit einer anderen, durchaus einleuchtenden Begründung. Die Betroffenen gucken blöde aus der Wäsche, die Unbetroffenen feiern die Regierungsdarsteller als echte Helden und atmen ob der Weitsicht ihrer Regierer erleichtert auf.

Ich stecke fest in einem Haufen manischer Psychopathen, die die Augen fest auf ihre Handys und Bauchnabel gerichtet haben, immer auf der Suche nach dem nächsten Verbot, dass sie einem Anderen vor den Latz knallen wollen. Oder alternativ einer aktuellen Kamera, der sie ihren Weltschmerz gestehen können und deren Redakteure das dann gefällig und zielgerichtet zusammenschneiden und als „Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ verkaufen. Am anderen Ende der Pipeline sind die „Netzfundstück“-Sucher, denen keine Geschichte zu abstrus und absurd ist, sofern sie nur die eigene Meinung und Weltsicht stützt. Quellenforschung war gestern, „Hauptsache Haltung“ ist heute und wenn man dem Mitdiskutanten schön mit falschen Behauptungen einen ´reinwürgen kann: Warum denn nicht? Es ist immer der Zweck, der die Mittel heiligt.  

Manchmal mag ich nicht mehr und bin müde. Manchmal denke ich mir: „Macht Euren blöden Schmarrn ohne mich“ - aber dann begegne ich ihr wieder: Der kleinen, netten, menschlichen uneigennützigen Geste. Oder dem Straßenkünstler, der einfach Freude an seinem Tun hat, das er um des Tuns willen macht. Und dann weiß ich: Doch, es lohnt sich. Nicht für die Vollpfosten. Aber für das Mädchen, das auf seiner Geige Beethoven in der Fußgängerzone spielt. Bis das Ordnungsamt die Genehmigung dafür prüft. Aber bis dahin lohnt es sich.

von Thilo Schneider 12 Jan., 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15 Juli, 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25 Juni, 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
Polizeikontrolle, mit Spielzeugautos nachgestellt
von Thilo Schneider 30 Mai, 2023
Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
Fallschirmjäger beim Sammeln
10 Dez., 2022
Wenn man morgens um 8 ohne Knoppers einen Staatsstreich vereitelt
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